Schon bevor Level 3, der Jugendberufsservice im Landkreis Altenburger Land, seine Arbeit aufgenommen hat, wurden die zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur in die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung eingebunden, sondern auch in die Planung für den Umbau und die Gestaltung der Räumlichkeiten. Die unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen von Arbeitsverwaltung und Kommunen können heute offen thematisiert werden, so dass neue, gemeinsame Ansätze gefunden werden.
Welche Schritte würden Sie neu zu gründenden Jugendberufsagenturen empfehlen, um die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit in Gang zu bringen?
Am Anfang steht natürlich die Analyse des Ist-Standes. Wie sieht es mit der Zusammenarbeit der Akteure in der Jugendsozialarbeit aus, wie ist das gegenseitige Verständnis, was sind die gemeinsamen Schnittstellen. Um das Verständnis der beteiligten Organisationen füreinander zu erhöhen, lohnt es sich, bereits im Vorfeld gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren und eine gemeinsame Maßnahmenplanung durchzuführen.
Stichpunkte für das Vorgehen sind zum Beispiel die Aufbauplanung (Was ist unser Ziel?), die Aufgabenteilung (Wer trägt was bei?) und die Kostenteilung (Wer trägt welche Kosten?). Die Personalausstattung muss auskömmlich sein. Es hat sich gezeigt, dass es nicht ausreichend ist, nur Personal aus anderen Organisationseinheiten abzuordnen, ohne Reserven für Abwesenheiten durch Urlaub oder Krankheit einzukalkulieren. Auch sollte das Personal der Jugendberufsagentur nicht abgezogen werden, um Engpässe in den entsendenden Arbeitsbereichen zu überbrücken.
Außerdem ist der Einsatz eines neutral agierenden Koordinators oder einer Koordinatorin wichtig. Das bedeutet, die Person ist nicht nur einer der tragenden Einrichtungen verpflichtet. Um eine intensive Beteiligung der Mitarbeitenden zu gewährleisten, ist die Bildung von Arbeitsgruppen zum Aufbau und zur Ausgestaltung der Jugendberufsagentur wichtig.
Jugendberufsagenturen sind durch fachübergreifende Kooperationen gekennzeichnet. Wie lässt sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und positive Gesprächskultur initialisieren?
Durch die Förderung von Transparenz und gegenseitigem Verständnis unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das kann durch gegenseitige Information oder auch Hospitationen geschehen. Die schon erwähnten gemeinsamen Veranstaltungen. Ganz generell durch Partizipation in allen Phasen.
Welche Hürden mussten Sie nehmen oder welche Vorbehalte überwinden?
Es war nicht immer leicht, Akzeptanz bei den nicht unmittelbar involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten Institutionen zu erlangen. Die tritt erst dann ein, wenn diese erkennen, dass sie entlastet werden. Damit das gelingt, darf dort nicht nur Personal abgezogen werden, es muss auch eine spürbare Abgabe von Aufgaben erfolgen. Wir wollen auch eng mit allgemein- und berufsbildenden Schulen zusammenarbeiten. Da sind die ersten Schritte unternommen, aber die Beteiligung des Partners Schulamt erscheint noch immer als schwieriger Prozess.
Welche Arbeitsformen oder Gesprächs- und Sitzungsformate haben sich in der Praxis bewährt?
Dazu gehört einmal die Einrichtung einer Steuerungsgruppe mit Vertretern der Träger Agentur für Arbeit, Jobcenter und Kommune, welche als Aufsichtsgremium und Ansprechpartner bei übergeordneten Themen agiert. Dann die Einrichtung einer Fachgruppe von Teamleitenden aus Agentur für Arbeit und Jobcenter sowie Fachdienstleitenden des Jugendamtes, in der die konkreten fachlichen Themen bearbeitet werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen sich regelmäßig zu Themen, die die Zusammenarbeit und Schnittstellen betreffen. Es gibt themenspezifische Arbeitskreise, Infoveranstaltungen und Netzwerkarbeit.
Ausgehend davon, dass die Prozesse nicht linear verlaufen: Welche Phasen haben Sie erlebt und was haben Sie getan, um eine positive Dynamik aufrechtzuerhalten?
Grob gegliedert hatten wir drei Phasen: Zunächst die Vorbereitung mit Umbau und Ausgestaltung der Räumlichkeiten. Dies fand unter größtmöglicher Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ausgestaltung, Raumplanung und ähnlichem statt. Darauf folgte die Startphase, die geprägt war durch intensive Zusammenarbeit, gemeinsame Veranstaltungen, gegenseitige Hospitationen und Information. Jetzt sind wir in der Arbeitsphase, in der eine Nachsteuerung durch die Steuerungsgruppe sowie die Fachgruppe erfolgt. Außerdem erleben wir eine offene Problemdiskussion der unterschiedlichen Weltanschauungen in Arbeitsverwaltung und Kommune.
Wie sieht für Sie eine optimale Form der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit im Hinblick auf die Gestaltung von Kommunikation und Kooperation aus?
Man braucht ein funktionierendes Dateninformationssystem als gemeinsame Arbeitsbasis aller Bereiche, dazu abgestimmte, klar formulierte Schnittstellenbeschreibungen zwischen den beteiligten Trägern. Eine gleichberechtigte, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit kurzen Wegen und die Nutzung §16h SGB II sind wichtig. Außerdem lohnt es sich, sich um Mitarbeitende mit "Zielgruppenfeeling" zu bemühen. Und mit Blick auf meine eigene Funktion, der Einsatz eines Koordinators oder einer Koordinatorin.
Welche Vorteile bringen virtuelle Formate der Zusammenarbeit auch mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen durch die Corona-Krise mit sich?
Wir arbeiten hier unter einem Dach, so dass die Kernaufgaben nicht virtualisiert werden müssen. Virtuelle Zielgruppenarbeit kann bei engagierten und motivierten Jugendlichen ressourcensparend sein, bei Jugendlichen mit multiplen Problemlagen funktioniert das nicht oder zumindest sehr schwer. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise muss daher zwingend über alternative Ansprechwege und ähnliche Lösungsansätze nachgedacht werden, und das aus meiner Sicht nicht nur vor Ort, sondern in überregionalen Formaten.