Welche Schritte würden Sie neu zu gründenden Jugendberufsagenturen empfehlen, um die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit in Gang zu bringen?
Wesentliche Grundlage für den Erfolg einer Jugendberufsagentur ist neben der fachlichen Überzeugung auch der politische Wille vor Ort. Die politisch Verantwortlichen sowie der Jugendhilfeausschuss müssen von der Notwendigkeit einer solchen Einrichtung überzeugt sein und ihr zustimmen. Zudem ist ein mehrjähriger Prozess gefordert (bereits die Standortfrage und Raumsuche sind zeitintensiv), der Durchhaltevermögen erfordert. Wer sich auf den Weg macht, sollte sich des Aufwands bewusst sein.
Daher ist es wichtig, umfassende Transparenz für alle Beteiligten zu schaffen. Also zu klären, was ist eine Jugendberufsagentur, welche Ausgestaltungsformen gibt es, was verstehen wir darunter. Es muss geklärt werden, welche Möglichkeiten sich eröffnen und welche Ziele damit verfolgt werden. Die Perspektiven und auch die Herausforderungen müssen benannt werden, und es ist hilfreich, sich Best-Practice-Beispiele anzusehen.
Bei uns in Ludwigshafen hat sich die Einrichtung moderierter Arbeitsformate unter Einbeziehung aller beteiligten Rechtskreise bewährt. Es empfiehlt sich, hierfür eine objektive Begleitung auszuwählen, bei der JBA LU übernimmt dies das ism, das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz.
Wir haben zunächst die jeweiligen Bedarfe ermittelt, dann die gemeinsamen Interessen und Umsetzungsmöglichkeiten der Kooperationspartner. Dabei waren Leitfragen, was die Einzelnen wie beitragen können und welches Personal zur Verfügung steht. Um den gegenseitigen Informationsbedarf zu decken wurde der jeweilige Leistungskatalog der Kooperationspartner erläutert. Dann wurden mögliche JBA-Varianten erarbeitet und so wurde eine gemeinsame Vertrauensbasis geschaffen.
Jugendberufsagenturen sind durch fachübergreifende Kooperationen gekennzeichnet. Wie lässt sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und positive Gesprächskultur initialisieren?
Die handelnden Akteure müssen das Personal für die Umsetzungsebene sorgfältig auswählen und Offenheit und Vertrauen auf allen Handlungs- und Entscheidungsebenen schaffen. Die jeweiligen Mitarbeitenden müssen sich gegenseitig respektieren und untereinander wertschätzen und die Leistungen anderer anerkennen.
Die Jugendberufsagentur benötigt adäquate Räumlichkeiten und Arbeitsmaterialien, darüber hinaus ist die Schaffung einer angenehmen Arbeitsumgebung wichtig, wovon auch die jungen Menschen profitieren werden.
Damit gemeinsame Erfolge nicht nur quantitativ gemessen werden, ist der Aufbau eines qualitativen Reportings sinnvoll. Das gilt auch für die Schaffung von Partnerschaften unter Nutzung bisheriger erfolgreicher Strukturen und Netzwerke.
Welche Hürden mussten Sie nehmen oder welche Vorbehalte überwinden?
Anfangs wirkte die Thematik recht unüberschaubar auf uns und alle Beteiligten hatten erhebliche Informationslücken. Wir mussten gegenseitige Vorbehalte zu Struktur und Arbeitsweise des Jobcenters, der Agentur für Arbeit sowie zu Struktur und Arbeitsweise der Jugendhilfe beziehungsweise Jugendförderung abbauen.
Zur Klärung der passenden JBA-Form und der idealen Plattform für die Bedarfe der Beteiligten und Kooperationspartnerinnen und -partner haben wir uns Fragen gestellt wie: Was passt zu unserem Standort, zum Beispiel hinsichtlich Größenordnung und Zielgruppendefinition? Gibt es geeignete Räumlichkeiten und weiteres? Wir mussten auch klären, welche Kriterien dabei entscheidend sind und was vernachlässigt werden kann.
Welche Arbeitsformen oder Gesprächs- und Sitzungsformate haben sich in der Praxis bewährt?
Das waren zunächst Workshops in der Aufbauphase und die Einrichtung von Lenkungskreisen für die Steuerungsebene. Dann – wie schon erwähnt – regelmäßige, durch das ism moderierte Arbeitskreise, die in einem Turnus von etwa drei Monaten für die operative Ebene stattfanden. Und regelmäßige Teambesprechungen des JBA-Teams.
Ausgehend davon, dass die Prozesse nicht linear verlaufen: Welche Phasen haben Sie erlebt und was haben Sie getan, um eine positive Dynamik aufrechtzuerhalten?
Die Ermittlungs- und Findungsphase ermöglichte allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, ihre Ideen und Wünsche zu benennen und einen aktiven Beitrag zu leisten. Insbesondere die später in der JBA eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernahmen im Gestaltungsprozess eine Schlüsselrolle. Sie kannten die bisherigen Strukturen und Schnittstellenthemen und waren an den alten Prozessen aktiv beteiligt. Somit konnten die problematischen Handlungsfelder konstruktiv bearbeitet werden.
In der Anfangsphase der JBA galt es, die neu geschaffene Plattform auszuprobieren und auch Fehler zuzulassen. Das bedeutete, die Strukturen und Arbeitsinhalte auf Tauglichkeit zu prüfen und – falls erforderlich – nachzujustieren.
Wir haben die ersten Jahre als Gestaltungsphase wahrgenommen, wo situationsbedingt nach und nach neue Handlungsfelder bekannt wurden, die durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit lösungsorientiert in Einzelbesprechungen oder Team-Meetings erledigt werden konnten.
Arbeitsintensive Themen, wie zum Beispiel die Optimierung des Zugangs und der Kundensteuerung, Konkretisierungen im Schnittstellenbereich, Ausgestaltung rechtskreisübergreifender individueller Unterstützungsangebote und ähnliches, wurden für die Arbeitskreise vorgemerkt und mit der Hilfe von Moderation kompetent bearbeitet. Auch fanden gemeinsame Fachtage mit externen Referentinnen und Referenten als Impulse für die Gestaltung statt.
Die Implementierung der JBA ist erfolgreich gewesen und die Beteiligten sind als Team gewachsen, Netzpartner werden nun routiniert eingebunden. Neu entstehende Bedarfe werden direkt bearbeitet, zum Beispiel die Einladung der Staatsanwaltschaft und von Richterinnen und Richtern im Zusammenhang mit dem Umgang mit straffälligen Jugendlichen.
Wie sieht für Sie eine optimale Form der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit im Hinblick auf die Gestaltung von Kommunikation und Kooperation aus?
Während des Aufbauprozesses ist der externe Blick eines neutralen Moderationspartners sinnvoll. Die Kooperationspartner haben immer eine gemeinsame Geschichte und es gilt, vom Ist-Zustand wegzukommen, positive Elemente aufzugreifen und neue Wege zu erarbeiten. Durch die Kooperation der Steuerungsebene mit der operativen Umsetzungsebene entsteht ein wechselseitiger und vertrauensvoller Austausch hinsichtlich der zu priorisierenden Themen und der möglichen kreativen Gestaltungsspielräume. Dies ist die optimale Plattform für die weitere Entwicklung der JBA.