Angebote koordinieren
Überblick zum Leistungsangebot, Transparenz herstellen, Angebote aufeinander abstimmen
Eine oft verwendete Umschreibung dafür, was Jugendberufsagenturen tun, lautet, dass die drei Rechtskreise ihre Leistungen gemeinsam anbieten. Doch was heißt das für die praktische Umsetzung? Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über das Angebotsspektrum und eine mögliche Vorgehensweise zur gemeinsamen Koordinierung der Angebote sowie Anregungen aus der Praxis.
Die Vorteile des gemeinsamen Angebots
Basierend auf den Sozialgesetzbüchern II, III und VIII (SGB) sind drei Leistungsträger dafür zuständig, junge Menschen am Übergang Schule – Beruf bedarfsorientiert zu unterstützen: Das Jobcenter, die Agentur für Arbeit und das Jugendamt. Doch die Problemlagen Jugendlicher sind oft so gelegen, dass diese auf die Hilfe mehrerer Sozialleistungsträger gleichzeitig angewiesen sind. Auch ist es für Jugendliche schwer zu überblicken, welche der drei Behörden bei welcher Problemlage hilft.
In einer Jugendberufsagentur, oder einer anders benannten Kooperation der rechtkreisübergreifenden Zusammenarbeit am Übergang Schule – Beruf, werden die Unterstützungs- und Beratungsangebote der Sozialleistungsträger jungen Menschen gebündelt angeboten. Die jeweiligen Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten der Institutionen bleiben dabei unverändert. Neu ist der gemeinsame Blick der Kooperationspartnerinnen und -partner auf den gesamten Übergangsbereich mit dem Ziel junge Menschen in ihrer individuellen Lebenssituation bedarfsorientiert zu unterstützen. Die Sozialleistungsträger begreifen ihr eigenes Angebot als Teil eines Ganzen. Die einzelnen Angebote sollen so ineinandergreifen, dass ein umfangreiches Unterstützungssystem entstehen kann. Der junge Mensch mit seiner individuellen Problemlage kann ins Zentrum des Geschehens treten. Und die Kooperationspartnerinnen und -partner entwickeln gemeinsam ein bedarfsorientiertes Maßnahmenpaket. Auch aus der Perspektive des jungen Menschen können die einzelnen Angebote durch den Zusammenschluss in der Jugendberufsagentur als Gesamtangebot wahrgenommen werden. Die Unterstützungsmöglichkeiten werden so im optimalen Fall für die Zielgruppe transparent und nachvollziehbar.
Dies hat viele Vorteile:
- Die Bedarfe der jungen Menschen rücken unabhängig von Zuständigkeiten in den Vordergrund.
- Parallelstrukturen und Doppelförderungen können systematisch vermieden werden.
- Förderlücken können erkannt und mit passenden Angeboten gefüllt werden.
- Eine konstante Förderkette kann über die einzelnen Rechtskreise und Zuständigkeiten hinaus gewährleistet werden.
- Es entstehen Synergien bei der gemeinsamen Ansprache und Vermarktung der einzelnen Leistungen als ein Gesamtangebot.
- Für Jugendliche entsteht eine zentrale örtliche oder auch virtuelle Anlaufstelle für vielfältige Problemlagen ihrer Lebensphase.
Verpflichtung zur Zusammenarbeit
Eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung der einzelnen Sozialleistungsträger zur Zusammenarbeit untereinander ergibt sich aus §§ 18, 18a SGB II, aus §§ 9, 9a SGB III sowie aus § 81 SGB VIII. Allerdings ist durch den Gesetzgeber nicht näher definiert wie diese Zusammenarbeit ausgestaltet werden soll. Die Umsetzung folgt daher den individuellen Gegebenheiten vor Ort und kann in den einzelnen Regionen unterschiedlich ausfallen.
Alle Sozialleistungsträger sind dafür zuständig, junge Menschen in einer für ihre Zukunft entscheidenden Lebensphase zu begleiten und zu unterstützen. Darin liegt ihre Gemeinsamkeit. Sie unterscheiden sich aber in ihrer jeweiligen Aufgabe und Zielsetzung:
- Grundsicherung durch das Jobcenter (SGB II):
Sicherung des Lebensunterhalts und Eingliederung in Arbeit mit dem Ziel der selbständigen Lebensführung. - Arbeitsförderung durch die Agentur für Arbeit (SGB III):
Berufliche Integration und Vermittlung in eine Beschäftigung. - Jugendhilfe durch das Jugendamt (SGB VIII):
Förderung der selbstbestimmten Entwicklung zu einer selbständigen Persönlichkeit.
Daraus ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Verwaltungsstrukturen und -abläufe, des eigenen Selbstverständnisses, der Rolle der jungen Menschen, der Rolle des Arbeitsmarktes, der Beratungskultur sowie des Leistungskatalogs. Die Herausforderung besteht darin, eine gemeinsame Kultur der Zusammenarbeit in jeder einzelnen Jugendberufsagentur vor Ort zu entwickeln und das "gemeinsame Anbieten von Leistungen" praktisch umzusetzen.
Einige weitere Informationen zu rechtlichen Grundlagen und Handlungslogiken der Rechtskreise finden Sie hier:
Johannes Münder hat im Auftrag des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung (f-bb) eine Arbeitshilfe verfasst, die Schnittstellen zwischen den Sozialgesetzbüchern II, III und VIII aufzeigt und Informationen zu den rechtlichen Regelungen bietet. Im Anhang der Arbeitshilfe werden Fallbeispiele vorgestellt.
Die Sozialgesetzbücher II, III und VIII enthalten an mehreren Stellen Vorschriften zur Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den Sozialleistungsträgern der drei Rechtskreise. Christian Hampel fasst sie in diesem Beitrag der "Jugendsozialarbeit aktuell" zusammen.
Neben dem Leistungskatalog der drei Sozialleistungsträger gibt es viele weitere Angebote für junge Menschen am Übergang Schule – Beruf. Die Verfügbarkeit ist unterschiedlich und hängt davon ab, welche Angebote auf Ebene der einzelnen Gebietskörperschaften und Länder vorhanden sind. Auch auf Bundesebene bestehen zahlreiche Projekte und Programme über die junge Menschen im Übergangsbereich gefördert werden können. Es ist hilfreich, wenn Jugendberufsagenturen über ihre Rechtskreise hinaus auch diese weiteren Angebote im Blick haben und Jugendliche bedarfsorientiert dorthin vermitteln.
Bedarfe und Fördermöglichkeiten kennen
Beratungswünsche digital erfassen
Die Jugendberufsagentur Landkreis Osterholz (JBA OHZ) führt jährlich in den Abgangsklassen der Schulen im Landkreis eine Umfrage durch. Damit gelingt es ihr möglichst viele jungen Menschen noch rechtzeitig vor dem Verlassen des Schulsystems zu erreichen und in Erfahrung zu bringen, wer noch Beratungsbedarf hat oder noch unversorgt ist. Für diese Umfrage nutzt sie ein Online-Tool, das sie anderen Jugendberufsagenturen kostenfrei zur Verfügung stellt. Stephan Orendi, Koordinator der JBA OHZ, erläutert im Gastbeitrag, welchen Vorteil das digitale Umfrage-Tool hat, wie es funktioniert und wie andere Jugendberufsagenturen es für ihre Arbeit nutzen können.
Zum GastbeitragDer gemeinsame Dienstleistungskatalog
Die Jugendberufsagentur Krefeld erstellt regelmäßig einen gemeinsamen Dienstleistungskatalog für die beratenden Fachkräfte am Übergang Schule – Beruf. Junge Menschen können so schnell und unbürokratisch in passende Angebote vermittelt werden, denn der Katalog sorgt für mehr Transparenz zwischen den Rechtskreisen und erleichtert die Kontaktaufnahme untereinander. Im Interview berichtet das Leitungsteam der Jugendberufsagentur Krefeld, wie der gemeinsame Katalog entsteht und wie er sich auf die Zusammenarbeit in der Jugendberufsagentur auswirkt. Ein Musterbeispiel zeigt zudem, wie ein solcher Dienstleistungskatalog aufgebaut sein kann.
Zum InterviewHandlungsebene Jugendberufsagentur – Ein Modell für die Praxis
Für Jugendberufsagenturen ist es häufig einer der ersten Schritte der gemeinsamen Zusammenarbeit, eine systematische Bestandaufnahme der regionalen Angebotsstrukturen zu machen. So können die Mitarbeitenden der Jugendberufsagentur einen umfassenden Überblick über die bestehenden Möglichkeiten vor Ort gewinnen. Zwar gibt es, wie oben beschrieben, einheitliche rechtliche Grundlagen. Die Ausgestaltung des Angebots, auf das zurückgegriffen werden kann, ist allerdings regional unterschiedlich. Spätestens mit den Leistungen weiterer Akteure außerhalb der Rechtskreise SGB II, III und VIII wird deutlich, dass hier ein umfassender Überblick nötig ist.
Auch die jeweiligen Bedarfslagen und Strukturen vor Ort können das notwendige Angebot beeinflussen. Bestimmende Faktoren können hier zum Beispiel die Situation am regionalen Aus- und Arbeitsmarkt, die Bevölkerungsdichte sowie die Größe des Zuständigkeitsgebiets der Jugendberufsagentur sein.
Die Praxis zeigt, dass verschiedene Schritte hilfreich sind, um die Angebote der einzelnen Kooperationspartnerinnen und -partner zu koordinieren und ineinander zu verzahnen. Viele Jugendberufsagenturen entwickeln ihr Angebot in einem stetigen Prozess weiter und überarbeiten es kontinuierlich. Die Servicestelle Jugendberufsagenturen hat ein Modell dafür entwickelt, wie der Prozess einer gemeinsamen Angebotsentwicklung strukturiert und ausgestaltet werden kann. Es basiert auf den folgenden Schritten, die sich fortwährend wiederholen:
- Angebot erschließen
Die Kooperationspartnerinnen und -partner der Jugendberufsagentur ermitteln im ersten Schritte das Gesamtangebot, indem sie eine Übersicht über die Angebote der beteiligten Leistungsträger zusammentragen. Dieser gemeinsame Angebotskatalog sollte ergänzt werden durch weitere regionale Angebote anderer Institutionen und Initiativen, die junge Menschen auf dem Weg von der Schule in den Beruf unterstützen. Dazu gehören die eingangs beschriebenen kommunalen Eingliederungsleistungen, Projekte und Programme von Bund und Ländern, die schulischen Bildungsgänge des jeweiligen Bundeslandes sowie weitere örtliche Initiativen. - Transparenz herstellen
In einem weiteren Schritt ist es wichtig, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fach- und Führungsebene das Gesamtangebot kennen und die Leistungen ihres eigenen Rechtskreises als Teil eines Gesamtangebots verstehen. Eine gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung des Angebots hilft dabei, die Bedarfe der Zielgruppe der jungen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. - Angebot zielgruppengerecht vermitteln
Nun geht es darum, das Angebot an die Adressaten der Jugendberufsagentur zu vermitteln. Die wichtigste Gruppe der Adressaten sind die Jugendlichen selbst: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfehlen den jungen Menschen im direkten Kontakt bedarfsorientiert ein passendes Angebot. Eine weitere wichtige Zielgruppe sind Netzwerkpartner der Jugendberufsagentur, die ebenfalls Kontakt zu jungen Menschen im Übergangsbereich haben, beispielsweise die Jugendsozialarbeit oder der Integrationsfachdienst. Auch diese sollten über das Gesamtangebot der Jugendberufsagentur informiert werden. - Feedback einholen
Um ein möglichst wirksames Gesamtangebot für die Zielgruppe zu entwickeln, ist es wichtig, regelmäßig zu überprüfen, inwieweit die bestehenden Angebote genutzt werden oder genutzt wurden. Es sollte dabei auch geprüft werden, ob die vorhandenen Angebote die Bedarfe der jungen Menschen abdecken oder ob konkrete Lösungen zu Problemlagen fehlen. Um zu erfahren, welche weiteren Bedarfe bestehen und wie die bestehenden Angebote wahrgenommen werden, lohnt es sich, umfangreichere Rückmeldungen einzuholen. Zum Beispiel kann dies über Befragungen der Jugendlichen oder auch Netzwerkpartner geschehen.
- Angebot weiterentwickeln
Auf der Grundlage der Auswertungsergebnisse kann nun eine neue Planung erfolgen. Für den Planungsprozess können diese Leitfragen hilfreich sein:
Wo sind Förderlücken oder Dopplungen? Wie können die Angebote der einzelnen Rechtskreise möglichst gut ineinandergreifen? Welche Angebote werden gut genutzt? Welche Angebote werden kaum abgerufen? Gibt es bestimmte neue Problemlagen, für die gemeinsam neue Angebote und Lösungen entwickelt werden können? Welcher Rechtskreis hat dafür die Ressourcen beziehungsweise die Kompetenzen ?
Planung und Entwicklung von Angeboten in der Praxis
Interview: Gemeinsame Angebotsplanung
In Dortmund planen die drei Rechtskreise die Maßnahmen gemeinsam, um die unterstützenden Angebote so zu gestalten, dass sie für die Zielgruppe erfolgreich und für das Jugendberufshaus wirtschaftlich effizient sind. Dirk Engelsking ist seit 2013 verantwortlicher Bereichsleiter für alle "Dienstleistungen für junge Menschen" der Agentur für Arbeit und Mitglied der Jugendberufshaus-Projektgruppe. Im Interview erläutert er, welche organisatorischen Schritte erfolgen müssen, bis die Angebote für alle Partner und die Jugendlichen passen. Sein Fazit: Der Aufwand ist groß, zahlt sich aber in jeder Hinsicht aus.
Zum InterviewPraxisbericht: Mit vereinten Kräften und Mitteln
Um eine Lücke im Unterstützungssystem zu schließen, haben die Kooperationspartner der Jugendberufsagentur Esslingen das Förderangebot "GO!ES" selbst konzipiert und verantworten es gemeinsam. Damit haben sie einen Schritt gemacht, der über die Abstimmung und Koordination von bereits bestehenden Angeboten hinausgeht. Der Praxisbericht beleuchtet, wie die Kooperationspartner vorgegangen sind, um das Angebot zu realisieren, welche Schwerpunkte sie dabei gesetzt haben und welchen Mehrwert das gemeinsame Vorgehen für junge Menschen und Fachkräfte in der Praxis bietet.
Zum PraxisberichtDie Leistungen der einzelnen Sozialgesetzbücher im Überblick
Die Leistungen für junge Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf ergeben sich aus den gesetzlichen Grundlagen im SGB II, III und VIII. Sie reichen von Informationsangeboten über Beratungsangebote und finanzielle Leistungen bis hin zu umfangreichen Bildungsmaßnahmen. Die einzelnen Leistungen sind in den Gesetzen unterschiedlich genau beschrieben, wodurch die Handlungsspielräume und Möglichkeiten bei der praktischen Umsetzung variieren. Auch unterscheiden sich die einzelnen Leistungen hinsichtlich der Zielgruppe. Die Leistungen im SGB II und SGB VIII sind in der Regel immer an eine nachgewiesene Hilfebedürftigkeit des Jugendlichen gebunden. Das Angebot der Berufsberatung im Rahmen des SGB III dagegen steht allen jungen Menschen unabhängig von ihrer sozialen Situation zur Verfügung.
Informationen zu den Leistungen im SGB II, III und VIII
Diese Auflistung der Regelinstrumente im Übergang Schule - Beruf auf überaus.de enthält kurze Erläuterungen zu den einzelnen Leistungen sowie Verlinkungen zu weiterführenden Informationen.
Auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) werden die Leistungen des SGB II. Sie wird vom BMAS herausgegeben und regelmäßig aktualisiert.
Die Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) "A-Z der Arbeitsförderung" gibt einen Überblick über den Instrumentenkasten des SGB III. Sie wird regelmäßig aktualisiert.
Die Broschüre "Kinder- und Jugendhilfe" bietet einen Überblick über das breite Aufgabenspektrum der Kinder- und Jugendhilfe im SGB VIII. Sie wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegeben.
Informationen zu weiteren Angeboten am Übergang Schule – Beruf
Über die gesetzlich geregelten Leistungen der drei Sozialgesetzbücher hinaus, gibt es viele weitere Angebote am Übergang Schule – Beruf, die relevant für die Angebotsplanung und die Beratung von Jugendlichen sind. Dazu gehören zum einen örtliche Initiativen und Projekte, beispielsweise von Stiftungen, Unternehmen oder Verbänden. Zum anderen gibt es Angebote von Bund und Ländern, die über folgende Datenbanken recherchiert werden können:
Die Fachstelle "überaus" bietet, sortiert nach Handlungsfeldern und Regionen, eine Übersicht über Förderprogramme und -initiativen von Bund und Ländern an. Dort können Jugendberufsagenturen die Angebote filtern und recherchieren, welche davon für ihre Region verfügbar sind.
Für Jugendliche, die nach dem Verlassen der Schule nicht gleich in eine Ausbildung vermittelt werden können, bieten die Länder schulische Bildungsgänge an. Auf überaus.de gibt es eine Übersicht dieser schulischen Bildungsgänge. Jugendberufsagenturen können dort recherchieren, welche in ihrer Region zur Verfügung stehen.