"Was einer nicht schafft, schaffen wir zusammen!" – Eindrücke aus der Landesarbeitsgemeinschaft schleswig-holsteinischer Jugendberufsagenturen
Interview mit Alexandra Florek und Corinna Viyo, beide in der LAG JBA SH aktiv
17.02.2025 | Redaktion: Anne Knappe, Karin Maria Rüsing
Trotz ihrer individuellen Ausgestaltung stehen Jugendberufsagenturen bei der Umsetzung häufig vor ganz ähnlichen Herausforderungen. Darüber hinaus gibt es in den einzelnen Bundesländern auch gemeinsame Themen durch die jeweils landesspezifischen Rahmenbedingungen. Für Jugendberufsagenturen bieten Austauschtreffen auf Landesebene darum einen echten Mehrwert. Alexandra Florek und Corinna Viyo aus Schleswig-Holstein, beide Koordinatorin in einer Jugendberufsagentur, berichten im Interview von der Landesarbeitsgemeinschaft der schleswig-holsteinischen Jugendberufsagenturen, der LAG JBA SH.
Über Alexandra Florek und Corinna Viyo
Alexandra Florek ist seit 2014 Koordinatorin für das Übergangsmanagement Schule – Beruf und die drei Jugendberufsagenturen im Kreis Schleswig-Flensburg.
Corinna Viyo ist Projektmanagerin und seit 2018 Koordinatorin für die Jugendberufsagentur Dithmarschen.
Beide sind Mitglied in der Landesarbeitsgemeinschaft der schleswig-holsteinischen Jugendberufsagenturen (LAG JBA SH), Corinna Viyo ist derzeit deren Sprecherin.
Frau Florek, wie kam es zur Gründung der Landesarbeitsgemeinschaft der schleswig-holsteinischen Jugendberufsagenturen, der LAG JBA SH?
Alexandra Florek: Die Zusammenkunft der Jugendberufsagentur-Koordinator*innen wurde bottom-up initiiert, also nicht auf Anordnung von oben und eher informell, durch einen damaligen Flensburger Koordinator-Kollegen, Manuel Dethloff. 2014 gab es nur eine gute Handvoll Kreise und Städte, die sich mit dem Aufbau ihrer Jugendberufsagenturen beschäftigten. Es gab noch wenig Orientierung, Jugendberufsagenturen waren noch nicht üblich und unsere große Nachbarin Hamburg hatte als Stadtstaat komplett andere Voraussetzungen. Diese Austauschtreffen gaben Gelegenheit, sich über die eigenen und doch überall ähnlichen Hürden auszutauschen und von den Erfahrungen der anderen Kreise zu profitieren. Glücklicherweise waren diese Treffen immer von einer großen Offenheit geprägt. Schnell wurde dieser lose Verbund mit dem Schwarmwissen und den Erfahrungen auf den unterschiedlichen Ebenen eine elementare Unterstützung für das Gelingen in den eigenen Regionen.
Im Jahr 2014 wurde Britta Ernst Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und forcierte die Entwicklung der Jugendberufsagenturen, unter anderem mit finanziellen Förderungen, aber auch mit der begleitenden (nicht führenden!) Beteiligung von einzelnen Kolleg*innen des Bildungsministeriums in diesem nun wachsenden "kommunalen Fachnetzwerk". So entstanden die ersten Verknüpfungen zwischen den Koordinator*innen und der Landesebene im Rahmen eines Informationsaustauschs. Das Land hat über dieses Fachnetzwerk einen Eindruck von den unterschiedlichen Entwicklungen gewonnen. Die Jugendberufsagenturen sind somit flächendeckend ansprechbar für die Landesebene. Ein Austausch ist dadurch erst möglich und gesichert. Wissen bleibt erhalten und wird in diesem unbürokratischen Netzwerk weitergegeben.
Die LAG ist bis heute autark. Die Treffen beruhen auf Freiwilligkeit und Engagement.


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Alles begann mit einem lockeren Treffen im Jahr 2014.Die LAG ist bis heute autark und kooperiert intensiv mit der Landesebene, sie war und ist aber nie einem Ministerium unterstellt! Nach wie vor gibt es keine gemeinsame Geschäftsordnung, alle Treffen beruhen auf Freiwilligkeit und Engagement. Etwa drei Treffen finden jährlich für die Koordinator*innen statt, ein- bis zweimal jährlich treffen wir uns mit Beteiligung der Landesebene. Das kommunale Netzwerk wuchs stetig und bald waren alle Kreise und Städte, auch die ohne Jugendberufsagentur oder die, die sich nur über die landesweiten Entwicklungen auf dem Laufenden halten wollten, hier vertreten, so dass 2016 eine Umbenennung in (Landes-) Arbeitsgemeinschaft der Jugendberufsagenturen in Schleswig-Holstein folgerichtig war. Als besonders vorteilhaft erwies sich die Zusammenarbeit der Jugendberufsagenturen, als die Zuständigkeiten auf Landesebene an andere Verantwortliche (2017 vom Bildungsministerium an das Wirtschaftsministerium und 2021 an das neu gegründete Schleswig-Holsteinische Institut für berufliche Bildung – SHIBB) überging. Viele Themen konnten so mit geballtem Wissen von der Arbeitsebene gestaltet und Aktionen des Landes in allen Regionen gleichermaßen auf den Weg gebracht werden.
Frau Viyo, Frau Florek, womit beschäftigt sich die LAG JBA SH und was sind Ihre Aufgaben?
Corinna Viyo: Die Landesarbeitsgemeinschaft ist zum einen ein Austauschformat, denn trotz der vielen Unterschiede, die die Jugendberufsagenturen haben, gibt es oft ähnliche Hemmnisse und Probleme, die angegangen werden müssen. Wir tauschen Lösungsansätze aus, die es vielleicht in einzelnen Kreisen bereits gibt oder stellen fest, dass dieses Problem nicht auf Kreis- oder Stadtebene lösbar ist, sondern an eine höhere Stelle kommuniziert werden muss, was wir dann auch tun.
Wir tauschen Lösungsansätze aus, die es in einzelnen Kreisen gibt oder stellen fest, dass ein Problem nicht auf Kreis- oder Stadtebene lösbar ist. Das kommunizieren wir dann an eine höhere Stelle.


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Gesicht zeigen, nach innen und außen informieren – wichtige Anliegen der LAG.Alexandra Florek: Wir haben aus unserer Gruppe heraus Ansprechpersonen für die LAG allgemein benannt sowie Patinnen und Paten für Einzelthemen wie Bildung/Schule, Jugendhilfe, Öffentlichkeitsarbeit, Ausrichtung landesweiter Fachtage und mehr. Dadurch sind wir in der Lage, uns trotz geringer Ressourcen möglichst breit aufzustellen und der Vielfalt der Themen gerecht zu werden. Wer sich inhaltlich bei einem Schwerpunkt besonders gut auskennt, zum Beispiel Bildung oder Jugendberufshilfe, sorgt für den Informationsfluss in die LAG oder an das Land. So können wir auch der Verantwortung der Jugendberufsagenturen gerecht werden, Gesicht zu zeigen und erreichbar zu sein. Dies gilt für die Landesebene, die neben den Ministerien natürlich auch die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, den Landkreistag und Städtetag sowie Wirtschaftsvertreter*innen einschließt.
Corinna Viyo: Zum anderen haben wir natürlich auch überregionale Themen. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit Vertreter*innen der Ministerien, Schulen, Regionaldirektion Nord, dem SHIBB und Koordinator*innen verschiedener Jungendberufsagenturen an Qualitätsstandards für Jugendberufsagenturen in Schleswig-Holstein. Dieses Thema hat sich sich aus einem Beschluss der Landesregierung ergeben. Im Laufe der Jahre haben wir einige Dauer- oder Langzeitthemen wie beispielsweise den Wunsch nach einer landesweiten Öffentlichkeitsarbeit, die Entwicklung, Weiterentwicklung und Etablierung eines Monitoring-Systems, regelmäßige Austauschformate mit den Ministerien, der Regionaldirektion Nord und dem SHIBB, und viele weitere Themen, die mal mehr und mal weniger im Fokus liegen oder neu hinzukommen.
Die Zusammenarbeit von SGBII, SGBIII und SGBVIII sowie allgemein- und berufsbildender Schule ist auf regionaler Ebene in der Regel selbstverständlich. Die LAG wirbt dafür, dies auch auf ministerieller Ebene umzusetzen.
Es gibt immer wieder den Hinweis der LAG, dass das, was auf regionaler Ebene in der Regel selbstverständlich ist – die Zusammenarbeit SGB II, SGB III und SGB VIII, gemeinsam mit allgemeinbildender Schule und auch den Regionalen Berufsbildungszentren – auch auf ministerieller Ebene umgesetzt werden muss. Dies erfolgt noch nicht flüssig, es zeichnen sich aber langsam Fortschritte ab, erkennbar an der häufigeren Beteiligung des Sozialministeriums und zum Beispiel auch der Verantwortlichen für die Gymnasien. Hier ist noch viel zu tun, aber es bewegt sich alles in die richtige Richtung.
Frau Viyo, das Besondere an der LAG JBA SH ist ja, dass sie sich vor allem aus Koordinatorinnen und Koordinatoren von Jugendberufsagenturen zusammensetzt. Welche Vorteile entstehen Ihrer Erfahrung nach daraus?
Corinna Viyo: In unserer LAG sind neben den Koordinator*innen auch weitere Kolleg*innen vertreten, die am Übergang Schule – Beruf arbeiten. Wir haben daher keine feste Teilnehmerzahl, sondern sind für alle Interessierten aus unseren Rechtskreisen offen. Dadurch entsteht eine vielfältige Expertise aus allen Fachrichtungen, die uns in Diskussionen oft ermöglicht, auch den Blickwinkel der jeweils Anderen zu verstehen. Das hilft dann natürlich auch bei der Argumentation und der Umsetzung vor Ort in unseren Jugendberufsagenturen, denn man hat im Idealfall eben alle Rechtskreise mitgedacht und einbezogen. Die Teilnehmenden können die Erkenntnisse aus den LAG-Treffen direkt an die richtigen Stellen innerhalb ihrer Jugendberufsagentur weitergeben, sodass relevante Informationen und Erkenntnisse aus dem Austausch unmittelbar in die Umsetzung einfließen.
Welche Rolle spielt die LAG JBA SH für ihre Mitglieder vor dem Hintergrund der oftmals herausfordernden Arbeit der Koordinatorinnen und Koordinatoren von Jugendberufsagenturen?
Grundsätzlich haben wir in unserer LAG ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zueinander, was für uns immens wichtig ist und von allen sehr geschätzt wird. Es muss auch mal möglich sein "Dampf abzulassen", wenn es vielleicht grad nicht so gut läuft, oder einfach etwas abseits des Protokolls zu erzählen. In dieser vertrauensvollen Umgebung ist es auch leichter um Rat zu fragen, worin wir einen großen Vorteil sehen.
Natürlich spielt aber auch der Informationsfluss und Wissenstransfer eine sehr große Rolle. Neuigkeiten aus der Landesebene oder auch der Regionaldirektion Nord können über unseren Verteiler und bei unseren Treffen schnell verbreitet werden.
Die Jugendberufsagenturen in Schleswig-Holstein sind außerdem alle auf einem unterschiedlichen Stand. Einige sind direkt 2015/2016 gestartet, andere erst im Jahr 2024 und in einem Kreis ist der Wille auf der operativen Ebene zur Gründung einer Jugendberufsagentur schon groß, aber noch nicht bei den Entscheider*innen angekommen. So ist es ganz natürlich, dass die Kolleg*innen mit mehr Erfahrungen den neueren Kolleg*innen mit Rat und Tat zur Seite stehen und wir uns auch über Konzepte und Stolpersteine austauschen.
In einer vertrauensvollen Umgebung ist es leichter um Rat zu fragen. Informationsfluss und Wissenstransfer spielen eine große Rolle. Neue Teilnehmende profitieren von der Erfahrung derer, die schon länger dabei sind.
Wie hat sich die Arbeit der LAG JBA SH seit ihrer Gründung entwickelt und welche Rolle wird sie Ihrer Meinung nach zukünftig für die Jugendberufsagenturen in Schleswig-Holstein spielen?
Ich kann hier nur von der Zeit berichten, in der ich dabei bin, also seit Ende 2018: Mein erstes Treffen ist mir noch in Erinnerung geblieben, weil wir eine kleine, sehr nette Runde waren und ich alle Infos wie ein Schwamm aufgesogen und ehrlich gesagt auch ein bisschen gejammert habe. Zu dem Zeitpunkt hatten wir einen Koordinator für unsere Runde, der aber 2019 in den wohlverdienten Ruhestand ging, so dass wir uns überlegen mussten, wie wir uns organisieren, damit das Ganze nicht im Sande verläuft. Entstanden ist die Rolle der Sprecher*innen, die ich gemeinsam mit Moritz Füller aus dem Kreis Segeberg übernehmen darf. Außerdem haben wir Themenpaten, die als Ansprechpartner*in für bestimmte Bereiche gewählt wurden. Niemand aus der Landesarbeitsgemeinschaft ist gezwungen eine Aufgabe zu übernehmen, da wir diese immer noch "on top" zu unserer eigentlichen Arbeit machen. Allerdings sind alle Mitglieder immer voll motiviert sich einzubringen und daher gelingt es uns zum Glück, Aufgaben immer auf mehrere Schultern zu verteilen.


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Für den Austausch immer nützlich: der kurze Draht.Im Laufe der Zeit wurden wir immer mehr Koordinator*innen oder Jugendberufsagenturen und so wuchs auch unser Anspruch, außerhalb der Gruppe "gehört" zu werden, frei nach dem Motto "Was einer nicht schafft, schaffen wir zusammen!" Und so ist es gelungen, dass wir nach und nach Ansprechpartner*innen in den Ministerien bekamen, bis wir dann zusätzlich eine eigene Zuständigkeit unter anderem im SHIBB erhalten haben.
Auch hier sind wir sehr dankbar, dass wir einen "kurzen Draht" zu den Kolleg*innen in den verschiedenen Institutionen haben und so auch Ideen und Vorhaben besprechen können ohne gleich das ganz große Rad der Verwaltung in Gange zu setzen. Dies gilt natürlich auch anders herum. Die Kolleg*innen zum Beispiel aus dem SHIBB wissen, dass sie bei Fragen oder mit Ideen jederzeit zum Hörer greifen und mit uns in den Austausch gehen können. Ohne die Landesarbeitsgemeinschaft wäre diese Zusammenarbeit wahrscheinlich nicht so gut gelungen.
Kurz und knapp: Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendberufsagenturen Schleswig-Holstein
2014 Gründung, erstes Treffen als unabhängiges und freiwilliges Austauschformat
2016 Umbenennung in Landes-Arbeitsgemeinschaft der Jugendberufsagenturen in Schleswig-Holstein – LAG JBA SH
2017 Wechsel der Zuständigkeit für das Thema Jugendberufsagenturen auf Landesebene, vom Bildungsministerium zum Wirtschaftsministerium
2021 Wechsel der Zuständigkeit für das Thema Jugendberufsagenturen auf Landesebene, vom Wirtschaftsministerium zum Schleswig-Holsteinischen Institut für berufliche Bildung – SHIBB
Bis heute ist die LAG JBA SH ein unabhängiges Gremium, steht aber stets in engem Austausch mit dem Land Schleswig-Holstein.

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Jugendberufsagenturen Schleswig-Flensburg und Dithmarschen