Beratung im Kontext von Jugendberufsagenturen

Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis

01.08.2024 | Petra Lippegaus

Vor dem Hintergrund der rechtskreisübergreifenden und multiprofessionellen Zusammenarbeit in Jugendberufsagenturen befasst sich Petra Lippegaus von der Universität Paderborn mit der Frage, wie Beratung in diesem Kontext gestaltet werden kann, um junge Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf gut zu begleiten. Sie beschreibt die Entwicklung und die verschiedenen Ansätze von Beratung und zeigt Wege auf, wie Jugendberufsagenturen zu einer gemeinsam getragenen Haltung finden können.

Dr.in Petra Lippegaus

Über die Autorin


Dr.in Petra Lippegaus ist Diplom-Sozialarbeiterin und Expertin für die Themen der beruflichen Integration am Übergang Schule – Beruf. Sie war zunächst in einer Beratungsstelle für arbeitslose Jugendliche tätig und wechselte dann zur INBAS GmbH (heute involas) und ins Good Practice Center des BIBB (heute Fachstelle überaus). Nach Stationen als Professorin an privaten Hochschulen arbeitet sie an der Universität Paderborn als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Berufspädagogik.

Kontakt

Über den Arbeitsbereich Berufspädagogik


Der Arbeitsbereich "Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Berufspädagogik" der Universität Paderborn befasst sich mit Fragestellungen zur Gestaltung beruflicher Bildungsprozesse an den Lernorten Schule, Betrieb und in außerschulischen Bildungseinrichtungen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der beruflichen Erstausbildung. Die Schwerpunkte in der Forschung liegen unter anderem in den Bereichen der Berufsbildung für Nachhaltige Entwicklung, der Geschichte des Berufsbildungssystems und der Förderung benachteiligter Jugendlicher.

Website des Arbeitsbereichs Berufspädagogik

Beratung bildet das Zentrum der Arbeit mit jungen Menschen in Jugendberufsagenturen. Was aber macht rechtskreisübergreifende Beratung im Übergang Schule – Beruf aus? Worauf zielt sie, welche Rollen und Aufgaben haben die Akteur*innen? Diese Fragen beantworten verschiedene Beteiligte im Beratungskontext ganz unterschiedlich. Dieser Beitrag will zum Reflektieren anregen und liefert fachliche Hinweise, wie Beratung in einem gemeinsamen Verständnis der drei Partner Jobcenter (JC), Agentur für Arbeit (AfA) und Jugendhilfe (JH) gestaltet werden kann. Es wird empfohlen, als Ergebnis einer fachlichen Auseinandersetzung eine eigene Beratungskonzeption zu entwickeln. So kann der erarbeitete Konsens festgehalten werden und gleichzeitig die Teammitglieder stärken, sich mit ihrem Wissen, Können und ihrer reflektierten Haltung kompetent auf Beratungssituationen und junge Menschen einzulassen.

Copyright Informationen anzeigenEin Mann und eine junge Frau im Gespräch.
Beratung ist ein komplexer Vorgang und mehr als das Filtern und Bewerten vieler Informationen.

Was ist eigentlich Beratung?

Ein einheitliches Verständnis unterschiedlicher Kooperationspartner*innen zu dieser Frage herzustellen, erweist sich oft als schwierig. Denn die eigene Identität als Berater*in ist mit der beruflichen Biografie gewachsen und steht in einem Gesamtzusammenhang von sozialpolitischen Überzeugungen, theoretischen Grundlagen, Werten und Perspektiven auf Probleme im Übergang. Schließlich prägen Denk- und Handlungsweisen der Institutionen, aus denen die Berater*innen stammen, das Verständnis.
Dementsprechend bringen Fachkräfte unterschiedliche Perspektiven in die gemeinsame Arbeit ein: "Geht es bei den Jobcentern darum, den Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung bestreiten zu können (vgl. § 1 SGB II), ist es die Aufgabe der Agenturen für Arbeit, dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu unterstützen (vgl. § 1 SGB III). Im Gegensatz dazu wird im SGB VIII der Blick auf 'junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung' (§ 1 SGB VIII) gerichtet, um Benachteiligungen entgegen zu wirken."(1) Für ein gemeinsames Verständnis der Kooperationspartner*innen erscheint es deshalb notwendig, sich dieser jeweils eigenen Hintergründe für Beratung bewusst zu werden und sie im Team zu reflektieren.

Historische Entwicklung

Um Beratung zu verstehen und konzeptionelle Unterschiede wie Gemeinsamkeiten einordnen zu können, lohnt sich ein kleiner Blick zurück in die Entstehungsgeschichte. Beratung ist in Deutschland Anfang des letzten Jahrhunderts entstanden, sowohl die Vorläufer der Erziehungsberatung, als auch die der Berufsberatung. Nicht immer orientierte sich Beratung dabei an den Bedürfnissen der zu beratenden Menschen. Schon in den 1920er Jahren wurde Beratung mit Kontrolle verbunden, sie trug in autoritärer und zum Teil unethischer Weise dazu bei, staatliche Interessen durchzusetzen (zum Teil auch als Vorläufer des Nationalsozialismus). Gleichzeitig haben demokratische und emanzipatorische Bestrebungen die Beratung von Anfang an geprägt.(2)
Insbesondere in den 1960er Jahren wuchs die Kritik an autoritären Strukturen, an der sogenannten Expertokratie, also der machtvollen Ausübung von Beratung und ihrer Funktionalisierung im Interesse der Institutionen, etwa durch Hans Thiersch. Pioniere der Beratung wie Klaus Mollenhauer verbanden als Gegenentwurf Beratung mit Bildung, Aufklärung und Mündigkeit. Beratung zielt hier auf Emanzipation und Persönlichkeitsentwicklung und soll diese Ziele über den Weg des personenzentrierten und biografischen Verstehens (Hermeneutik) erreichen.

Beratung als soziale Steuerung, vielleicht auch als Kontrolle im Auftrag des Staates oder Beratung als Beitrag zur Emanzipation zum Wohl der Adressat*innen – diese Spannungsfelder bestehen bei allen Formen (sozial)pädagogischer Beratung und Begleitung bis heute. In der Sozialen Arbeit sind die damit verbundenen Rollenkonflikte als Doppeltes Mandat(3) bekannt; die Widersprüchlichkeiten und Spannungsfelder werden als typisch für die Soziale Arbeit wahrgenommen.

Es ist deshalb sinnvoll, die eigene Rolle ebenso zu klären wie die Verortung der eigenen Rolle im Feld der Rollen der anderen.(4) Eine gemeinsam getragene Beratung funktioniert nicht ohne das Bewusstsein für das jeweils eigene Verständnis von Beratung. Das erfordert, dieses Bewusstsein für sich zu reflektieren und sich dann im Team auszutauschen. Auf dieser Grundlage kann das Team gemeinsam eine Beratungskonzeption erarbeiten, die auf der Reflexion der eigenen Problemsicht (Ausgangslage), den theoretischen Grundlagen sowie ethischen Prinzipien und Menschenbildern beruht. Eine Beratungskonzeption bildet so etwas wie den Sockel, die Grundüberzeugungen, aus denen Ziele und Wege zur Erreichung eben dieser Ziele (Methoden) abgeleitet werden. Spezifische Beratung erfordert zudem spezifische Kompetenzen. Alle Elemente stehen miteinander in einem konzeptionellen Begründungszusammenhang.

Copyright Informationen anzeigenDarstellung einer Beratungskonzeption als Kreislauf, in dem alle Elemente einander beeinflussen.

Das Ergebnis wird weniger eine Vorgabe sein, als vielmehr ein Konsens im Team. Anders als allgemeine Beratungskonzeptionen, wie zum Beispiel die der Bundesagentur für Arbeit, hält so eine individuelle Beratungskonzeption das Besondere der gemeinsamen Arbeit dieser einen Jugendberufsagentur fest – das, was die gemeinsame Arbeit trägt, kennzeichnet und von der anderer unterscheidet. Sie bietet eine Orientierung und ermutigt, sich immer wieder neu auf die Offenheit von Beratung, Begleitung und Beziehung einzulassen. Im Folgenden werden die einzelnen Elemente dieses Vorgehens genauer beleuchtet.

Die Ausgangslage: Was ist das der Beratung in Jugendberufsagenturen zugrunde liegende Problem?

Die Grundlage eines jeden Konzepts bildet die Ausgangslage, genauer gesagt, die Perspektive, aus der sie betrachtet wird: Was ist das Problem? Warum braucht jemand Beratung? Zwei verbreitete Betrachtungsweisen sollen hier beschrieben und beleuchtet werden. In den meisten Jugendberufsagenturen dürften Mischformen vorherrschen.

Die anforderungsorientierte Perspektive

Diese Perspektive lässt sich so beschreiben: Junge Menschen in Deutschland brauchen eine Ausbildung, um am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft ihren Platz zu finden und ihren Beitrag leisten zu können. Dies ist umso wichtiger, als in Deutschland Fachkräftemangel herrscht und gut ausgebildete Arbeitskräfte vor allem in Zukunft dringend gebraucht werden. Bei einigen Jugendlichen passen aber die Kompetenzen nicht zu den gestellten Anforderungen, sie verfügen nicht über die notwendigen Schulabschlüsse, die Sprachkenntnisse oder generell am Ausbildungsmarkt erwartete Fähigkeiten. Sie brauchen Beratung, um Wege zu finden, ihre Kompetenzen an die Anforderungen allmählich anzupassen, fit zu werden für den Arbeitsmarkt und für eine aktive und eigenverantwortliche Rolle in der Gesellschaft.

Copyright Informationen anzeigenEin junger Mann sitzt in einem Klassenzimmer und schaut traurig in die Kamera.
Bin ich gut genug? Die Frage beschäftigt viele junge Menschen am Beginn ihres beruflichen Weges.

Diese anforderungsorientierte Perspektive wird vor allem im Begriff "Ausbildungsreife" deutlich. Im Kriterienkatalog Ausbildungsreife wird sie so definiert: "Eine Person kann als ausbildungsreif bezeichnet werden, wenn sie die allgemeinen Merkmale der Bildungs- und Arbeitsfähigkeit erfüllt und die Mindestvoraussetzungen für den Einstieg in die berufliche Ausbildung mitbringt. […] Fehlende Ausbildungsreife zu einem gegebenen Zeitpunkt schließt nicht aus, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt erreicht werden kann."(5) Diese Definition geht davon aus, dass es so etwas wie "normale" Anforderungen gibt und Jugendliche an diese Normalität herangeführt werden können.
Die anforderungsorientierte Perspektive spiegelt zum einen das Leitbild des aktivierenden Sozialstaats, der die Eigenverantwortung der Menschen betont.(6) Er setzt auf die Befähigung zur Selbsthilfe, das heißt, auf die individuelle Fähigkeit, negative Marktfolgen präventiv zu vermeiden oder möglichst selbst ausgleichen zu können. Im Vordergrund stehen "Teilhabechancen", wobei die Verwirklichung dieser Chancen (auch) als Aufgabe des Individuums verstanden wird. Als Ziel gilt "Beschäftigungsfähigkeit (Employability)". Jede*r ist selbst dafür verantwortlich, die eigenen Kompetenzen immer wieder an die Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen, zum Beispiel durch lebenslange (Weiter)Bildung.

Die subjektorientierte Perspektive

Die subjektorientierte Perspektive sieht das Problem eher auf der gesellschaftlichen Ebene: Als Folge des sozialen Wandels leben wir in einer Zeit der Individualisierung; alte Sicherheiten bestehen nicht mehr, die Idee einer Normalbiografie hat ihre Gültigkeit verloren. In dieser Risikogesellschaft (Ulrich Beck), in der die Einzelnen ihr Leben immer wieder neu und in eigener Verantwortung planen müssen, steigen dadurch Freiheiten und Chancen, es steigt aber auch das Risiko des Misslingens. Für einen Teil der Gesellschaft bleiben Zugänge zu Arbeit und Ausbildung, zu sozialer und kultureller Teilhabe versperrt. Der Hauptschulabschluss, früher die gängige Voraussetzung in vielen Berufen, mindert nun die Chancen von jungen Menschen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Wer Zugang zu Ausbildung und Zukunftschancen erlangt, das bestimmen der Markt und seine Gatekeeper, zum Beispiel diejenigen, die den Kriterienkatalog Ausbildungsreife formuliert haben beziehungsweise einsetzen.
Junge Menschen, die nicht alle gestellten und zur Normalität deklarierten Anforderungen erfüllen, gelten als benachteiligt oder behindert. Auf diese Weise werden gesellschaftliche und strukturelle Aspekte vernachlässigt, Probleme individualisiert. Nur persönliche "Defizite" bilden die Grundlage einer Förderung. Defizitorientierung und Zuweisung in Zielgruppen führen zu Etikettierungen und Stigmatisierungen, die den Jugendlichen zusätzlich schaden. (Sie werden benachteiligt oder behindert.) Aus dieser Perspektive dient Beratung dazu, soziale Ungleichheiten zu erkennen und Exklusionsprozesse zu vermeiden. Dazu stärkt sie die Jugendlichen und unterstützt sie, ihre eigene Identität zu entwickeln, sich auszuprobieren, die eigene Biografie zu gestalten – gegebenenfalls auch auf Umwegen, mit Risiken und jugendlichen Freiheiten. Sie setzt im Alltag der Jugendlichen an, kennt die unterschiedlichen Lebenswelten – zum Beispiel, was es heißt, in Armut zu leben – und versucht, zu verstehen, was diese für das Leben der jungen Menschen und für anstehende Aufgaben bedeuten.

Copyright Informationen anzeigenJunge Menschen lachen und machen ein Selfie.
Werde ich gesehen? Nicht nur für junge Menschen wichtig.

Diese Position nimmt eine subjektorientierte Perspektive ein, sie denkt und handelt vom jungen Menschen und den jeweils vorhandenen Interessen und Bedürfnissen aus. So verstandene Beratung sieht sich im Kontext von beruflicher Orientierung und (vor)beruflicher Bildung als Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung.(7) Diese Perspektive, die den jungen Menschen in den Mittelpunkt stellt und die jeweils vorhandenen Interessen und Bedürfnissen einbezieht, entspricht dem Selbstverständnis moderner Sozialer Arbeit. Sie lässt sich dem Leitbild eines inklusiven Sozialstaats zuschreiben, wobei der Inklusionsbegriff in einem breiten Verständnis gemeint ist und alle Menschen umfasst: ihr Menschenrecht auf Bildung und Arbeit, ihre Chancen und Zugänge.
Der 15. Kinder- und Jugendbericht sieht es als "Aufgabe des Sozialstaats, allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen gleichberechtigten Zugang zu sozialen, bildungsbezogenen und beruflichen Perspektiven zu ermöglichen".(8) Soziale Dienste sollen – so der Bericht – daran gemessen werden, wie sie Verwirklichungschancen auch in prekären Lebenskonstellationen ermöglichen.(9)

Theoretische Grundlagen: Woran orientiert sich Beratung?

Gute Beratung hat einen theoretischen Orientierungsrahmen, der Begründungen liefert, wie und warum Beratung so und nicht anders ausgerichtet ist. Die Berufsberatung, heute die 3-B- oder BBB-Beratung (Beratung zu Bildung, Beruf und Beschäftigung) orientiert sich unter anderem an bestehenden Berufswahltheorien. Dabei gibt es nicht die eine, allgemein gültige Theorie, sondern eine Fülle verschiedener Ansätze, die ihre Wurzeln in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen haben. So lassen sich zunächst psychologische und soziologische Entwicklungslinien unterscheiden:(10)

Klassische psychologische Berufswahltheorien
Die klassischen psychologischen Berufswahltheorien bildeten lange die Grundlage der Berufsberatung, zum Beispiel die Theorie von John Lewis Holland oder die Entwicklungstheorie von Donald Super.(11) Ihnen gemeinsam sind verschiedene Aspekte wie der Fokus auf individuelle Merkmale oder Eigenschaften, das Prinzip der Passung von eigenen Interessen und Fähigkeiten und Beruf sowie festgelegte Phasen der Entwicklung. Darin wird Berufswahl als Entwicklungsaufgabe gesehen, die auf die Entwicklung von Berufswahlreife – später Berufswahlkompetenz – zielt.(12)

Theorien mit Bezug zur Soziologie
Theorien aus der Bezugsdisziplin Soziologie sehen stärker die Relevanz der Umweltfaktoren im Berufswahlprozess und beobachten die Abhängigkeit des Berufswahlprozesses von Umwelt- und Kontextfaktoren.(13) Sie gehen davon aus, dass Berufstätigkeit eng mit dem sozialen Status verbunden ist, mit sozialer Herkunft, Eltern, Peers und der sozialen Umwelt. Berufswahl spiegelt danach soziale Ungleichheiten. Die Theorien knüpfen zum Beispiel an Pierre Bourdieu an, der davon ausgeht, dass jeder Mensch in unterschiedlichem Maß mit Kapitalarten ausgestattet ist, mit ökonomischem, kulturellem, sozialem und symbolischem Vermögen. Damit verbunden bildet jede Person in ihrer Sozialisation einen bestimmten Habitus aus, der ihrer sozialen Gruppe, ihrem Herkunftsmilieu entspricht – Gewohnheiten, Güter, Lebensstile, die die Berufswahl immer mehr prägen und einengen.(14)

Pädagogische Ansätze
Pädagogische Ansätze sprechen – nach Mohr – eher von Berufsorientierung und betrachten den gesamten Prozess des Übergangs. Ein Beispiel ist das Thüringer Berufsorientierungsmodell – ThüBoM, das eine wissenschaftliche Grundlage für eine systematische schulische berufliche Orientierung darstellt. Im Mittelpunkt steht ein Berufswahlkompetenzmodell, nach dem junge Menschen vor einer begründeten Berufswahl vier Phasen durchlaufen, die jeweils die Dimensionen Wissen, Motivation und Handlung umfassen. Das Modell basiert auf (entwicklungs-)psychologischen und erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen.(15)
Die Dominanz der genannten psychologischen Theorien wird in der Beratungswissenschaft inzwischen kritisch gesehen: sie vereinfachen, bilden die hohe Komplexität von Jugend im Übergang, die unterschiedlichen Dimensionen von Berufswahl, nicht ausreichend ab, fokussieren auf Einzelpersonen und vernachlässigen Umweltfaktoren wie soziale Herkunft. Sie erwecken den Anschein, dass Berufswahlphasen immer ähnlich und planbar verlaufen und nach der ersten Berufswahl abgeschlossen sind. Gleichzeitig sind sie an einer kleinen privilegierten Gruppe orientiert: an der westlichen Mittelschicht.(16)

Ein Praxisbeispiel

Nehmen wir das Beispiel einer jungen Frau, die aus einem afrikanischen Staat geflüchtet ist. Sie musste in überfordernder Weise viel selbstständiger agieren, als es ihren Entwicklungsaufgaben entspricht, und traumatische Erlebnisse verarbeiten, die ihr den Kontakt zu Menschen erschweren. Ihre Berufswahl ist sehr viel stärker von ihren spezifischen biografischen Erfahrungen, ihrem Aufenthaltsstatus, ihrer Wohnmöglichkeit, von verlässlichen Beziehungen und Betreuung sowie ihrer Sicherheit jenseits von Rassismus beeinflusst als von den oben genannten Aspekten klassischer Berufswahltheorien.

Neuere Berufswahltheorien
Einige neuere Berufswahltheorien berücksichtigen psychologische, soziologische und zum Teil (sozial)pädagogische Aspekte. Manche bilden einen umfassenden Rahmen(17) und sehen die Person stärker im Kontext. Sie betrachten Berufswahl als dynamischen Prozess, auf den viele individuelle und externe Einflussfaktoren einwirken, wodurch sie wesentlich komplexer sind. Auch unerwartete Umstände und Zufälle haben oft einen entscheidenden Einfluss auf die Berufswahl: sie sind nicht planbar und rational, sondern das Ergebnis eines komplexen, unvorhersehbaren Prozesses.(18) Das menschliche Verhalten wird hier als Ergebnis zahlloser Lernerfahrungen verstanden, die aus geplanten wie ungeplanten Situationen entstehen und als Entwicklungschance genutzt werden können. Dabei kann die Frage, ob ein Beruf zum Selbstbild passt, ob er Zugehörigkeit und Anerkennung verspricht, eine größere Rolle spielen als die persönlichen Interessen.(19)

Vielfach wird Berufswahl als ein konstruktivistischer Prozess gesehen, in dem Menschen ihre Biografie selbst aktiv gestalten – und das lebenslang. Das Modell des "Life Designing" für beraterische Interventionen, das von einem internationalen Forschungsteam für die globale Berufsberatung entwickelt wurde,(20) zeigt einen Paradigmenwechsel in der Beratung, der hier nur auszugsweise dargestellt werden kann:

  • Der Fokus verschiebt sich von Persönlichkeitsmerkmalen, die "objektiv" gemessen werden, und von Normprofilen zu einer ganzheitlichen Sicht auf zu Beratende als Persönlichkeiten in vielfältigen Kontextbezügen. Standardisierte Tests und statistisch abgeleitete Normen verleiten – so die Kritik des Modells – die Beratungsfachkräfte zu Scheinsicherheiten, sie drängen den jungen Menschen Begriffe und Denkweisen auf, die diese zum Teil nicht verstehen und die ihnen nicht entsprechen.
  • Die einmalige Berufswahl entspricht nicht mehr der Realität, sie ist ein Mythos – bildet aber dennoch häufig die gedankliche Grundlage von Berufsorientierung und Beratung. Berufsidentitäten sind wandelbar, sie verändern sich im Zusammenhang mit individuellen Lebensgeschichten – diese müssen bei der Beratung angehört und berücksichtigt werden.
  • Junge Menschen brauchen keine Überlastung mit Informationen, sondern Begleitung in der Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Statt eines einseitigen Übermaßes an Informationen gehe es darum, die "klienteneigene Konstruktion mit ihren multiplen subjektiven Wirklichkeiten durch die Analyse ihrer Schilderungen"(21) aufzunehmen und somit die Situation wie auch den Hintergrund zu verstehen. Dies eröffne die Möglichkeit des Empowerments und neuer – individuell passender – Entwicklungsperspektiven.

Lebensweltorientierung
In den neueren Berufswahltheorien zeigen sich Verknüpfungen zum theoretischen Konzept der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch, das seit den 1990er Jahren die Grundlage der Jugendhilfe und darüber hinaus der Sozialen Arbeit bildet. Auch hier geht es um das Verstehen der Jugendlichen in ihrem jeweiligen Alltag. Der Begriff Lebenswelt geht über die Lebenslage – das heißt, die objektiven äußeren Bedingungen eines Lebens hinaus und umfasst, wie eben diese Lebenslage von den Individuen wahrgenommen wird. Junge Menschen machen individuelle Erfahrungen in ihrer konkreten Wirklichkeit und geben diesen eine persönliche Bedeutung. Sie erleben die gesellschaftlichen Strukturen und ihre Auswirkungen, müssen in den Widersprüchen des Alltags vielfältige Aufgaben bewältigen – auch diese deuten sie unterschiedlich. Lebenswelt ist also nicht objektiv zu sehen, sondern ein subjektbezogener Begriff.

Copyright Informationen anzeigenDrei junge Menschen auf einem Weg in einem Park. Im Hintergrund eine Wand mit Graffiti.
Wie sehen junge Menschen die Welt?

Den Ausgangspunkt von Beratung bilden in dieser Theorie die alltäglichen Deutungs- und Handlungsmuster der jungen Menschen sowie ihre Anstrengungen, ihren Alltag zu bewältigen. Das Konzept zielt zum einen auf einen gelingenderen Alltag, darauf, Raum, Zeit und Beziehungen zu gestalten. Lebensweltorientierung nimmt die vorhandenen Spannungen, die Gefährdungen und Potenziale wahr und achtet die "Eigensinnigkeit der Lebenserfahrungen".
Über die individuelle Ebene hinaus zielt das (gesellschafts-)kritische Konzept Lebensweltorientierung auf soziale Gerechtigkeit und die Veränderung der Strukturen der Ungleichheit. Thiersch nennt als Ziel "die individuellen, sozialen und politischen Ressourcen so zu stabilisieren, stärken und wecken, dass Menschen sich in ihnen arrangieren, ja vielleicht Möglichkeiten finden, Geborgenheit, Kreativität, Sinn und Selbstbestimmung zu erfahren".(22) Die Voraussetzung für das Verstehen und die Unterstützung bildet eine dialogische Verständigung und die Hilfe zur Selbsthilfe.

Annäherung der Konzepte

Eine Annäherung der Beratungskonzepte aus Berufsberatung und pädagogischer Beratung hatte bereits Ende des letzten Jahrtausends begonnen und wurde durch den Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung (dvb) e.V. gefördert. Frank Nestmann, einer der führenden Beratungswissenschaftler Deutschlands, wurde 1998 zur Jahrestagung des Deutschen Verbandes für Beratung eingeladen, um die Perspektiven der Beratung außerhalb der Berufsberatung (psychosoziale, sozialpsychiatrische und sozialpädagogische, gesundheitliche und erzieherisch-familiale) einzubringen. Er sagte damals: "Ich glaube allerdings nicht, dass es purer Zufall ist, dass hier wie anderenorts solch ein Neuanfang gemacht wird, ursprünglich in der Beratungsgeschichte und Tradition verknotete Fäden […], die sich im Laufe der verschiedenen Spezialisierungs-, Professionalisierungs- und Institutionalisierungsverläufe international wie auch bei uns auseinander entwickelt haben, nun wieder zusammenzuführen. Um im Bild zu bleiben, sie zwar nicht wieder zu einem Knoten, aber zu einem gemeinsamen Strang der jeweils eigenständigen Fäden von Beratung zu verbinden, an dem sich auch gemeinsam ziehen lässt."(23)

Welche gemeinsamen Prinzipien ergeben sich daraus für die Beratung in Jugendberufsagenturen?

Vollzieht man die dargestellten Paradigmenwechsel in der Berufsberatung nach, überrascht es fast, wie deutlich sich Denk- und Handlungsweisen in Bildung, Beratung und Beschäftigung und in der Jugendsozialarbeit annähern (zumindest auf der theoretischen Ebene). Aus den unterschiedlichen Ansätzen lassen sich gemeinsame Grundlagen für die Beratung in Jugendberufsagenturen ableiten:

Individualisierung
Gute Beratung geht von der/dem einzelnen Jugendlichen aus. Sie arbeitet nicht (mehr) mit normierten Kriterien und Profilen, sondern nimmt die/den Einzelne/n in den Blick, ist offen für unterschiedliche Lebensgeschichten, Welt- und Selbstverständnisse und wertschätzend für individuelle Wege, die eigene Biografie zu gestalten. Sie versucht, den Sinn persönlicher Konstruktionen und unerwarteter Entscheidungen zu verstehen, ohne sie abzuwerten.

Ein Praxisbeispiel

Eine junge Frau hat zwei Ausbildungen abgebrochen. Eine intensivere Beratung zeigt, dass ihre Eltern sich getrennt haben. Die Mutter zog zu ihrem neuen Freund in einen anderen Ort. Um bei ihr zu bleiben, löste die junge Frau ihr Ausbildungsverhältnis. Am neuen Ort begann sie eine neue Ausbildung. Als die neue Beziehung der Mutter in die Brüche ging und sie wieder umzog, löste die junge Frau erneut den Ausbildungsvertrag. Die Nähe zur Mutter hatte für sie – nach dem Verlust des Vaters – eine elementare Bedeutung. Die Beratungsfachkraft hört zu, fragt nach, achtet Eigensinn. Sie bewertet das Verhalten nicht als defizitär.

Lebensweltorientierung
Gute Beratung setzt an den spezifischen Lebenslagen an, schafft Zugang zu den Lebenswelten. Sie nimmt den Alltag ebenso ernst wie subjektive Deutungen von Erfahrungen und Bewältigungsstrategien.

Dialog und Partizipation
Gute Beratung zielt auf die selbstständige Gestaltung der Biografie und auf Mündigkeit. Beratung hat die Aufgabe, die Jugendlichen bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Die Fachkräfte akzeptieren die Jugendlichen als Expert*innen für sich selbst, sie regen sie zur Reflexion an und unterstützen selbstbestimmte reflektierte Entscheidungen.(24) Auch ihre eigene Rolle reflektieren die Fachkräfte kritisch, sie vermeiden eine Durchsetzung ihrer "Ratschläge" als Expert*in ebenso wie das standardisierte Abarbeiten von Methoden und Plänen. Stattdessen ermöglichen sie aktive Beteiligung, "echte" Mitbestimmung und individuelle (Entscheidungs-)Wege sowie die dafür im Einzelfall notwendige Zeit.

Ermutigung und Empowerment
Gute Beratung arbeitet im Dialog personale und soziale Stärken heraus und stärkt eine selbstbewusste Position im Prozess der Berufsorientierung und Biografiegestaltung. Sie zeigt Möglichkeiten, soziale Rechte und Ansprüche auf und hilft, Anforderungen wie auch Zumutungen zu verstehen und zu bewältigen. Empowerment geht damit weit über das Entdecken von (verwertbaren) Stärken hinaus, es handelt sich um einen kritischen und in der Sozialen Arbeit verankerten berufsethischen Ansatz. "Der Begriff 'Empowerment' bedeutet Selbstbefähigung und Selbstermächtigung, Stärkung von Eigenmacht, Autonomie und Selbstverfügung."(25) Er umfasst auch Offenheit für unkonventionelle Lebensentwürfe und Widerspenstigkeit.(26) Empowerment-orientierte Beratung ermutigt Menschen (gerade in Situationen von verwehrten Zugängen) sich ihrer Fähigkeiten, ihrer individuellen und kollektiven Ressourcen bewusst zu werden, ihre Interessen selbstbewusst zu vertreten und ihre Kräfte zu einer selbstbestimmten Lebensführung zu nutzen. Frank Neises und Ulrich Weiß sprechen im Kontext des Übergangs Schule – Beruf von "erwerbsbiografischer Selbstverantwortung".(27)

Beraterinnen und Berater sind auch administrativ Entscheidende und müssen gegebenenfalls im Laufe des Beratungsprozesses einen Rollenwechsel vornehmen.

Auf der praktischen Ebene können ethische Ansprüche – Werte, Prinzipien und Haltungen – durchaus im Widerspruch stehen zur Beratungspraxis. Politische Entwicklungen wie die dargestellten sozialpolitischen Leitbilder beeinflussen die Beratung ebenso wie institutionelle Ziele und Kulturen. Wenn diese in Widersprüchen zu professionellen und persönlichen Werten stehen, führt das zu Konflikten und Dilemmata. Dieses Problem benennen auch die Qualitätsstandards des Nationalen Forums Beratung: "Deutlich hervorzuheben ist, dass das Beratungsverständnis auch Beratung in Sanktionskontexten einschließt, eine Beratung also, die in der Regel nicht immer freiwillig aufgesucht wird. Berater/-innen sind in diesen Situationen aufgrund ihrer institutionellen Einbindung und ihres gesetzlichen Auftrags auch administrativ Entscheidende und müssen gegebenenfalls im Laufe des Beratungsprozesses einen Rollenwechsel vornehmen."(28)

Welches Menschenbild und welche Haltung liegen der Beratung zugrunde?

Förderung war und ist – dem dargestellten tradierten psychologischen Verständnis folgend – oft von der Feststellung individueller Defizite abhängig. Die definierten Defizite, die es durch Beratung oder Maßnahmen zu überwinden gilt, werden Zielgruppen zugeschrieben – nur diese werden gefördert. Diese Art von Förderung führt zu Stigmatisierung und Exklusion und steht deshalb insbesondere im Kontext der Inklusionsdebatte sehr in der Kritik. Zunehmend wenden sich daher Angebote – wie auch die Jugendberufsagenturen – an alle jungen Menschen. Fachkräfte nehmen Probleme wahr, deuten diese aber im Kontext von gesellschaftlichen Entwicklungen und strukturellen Benachteiligungen und im Respekt vor der Individualität und der Selbstbestimmung der zu Beratenden.

Beispiel: Das Menschenbild der Düsseldorfer Potenzialanalyse

Potenzialanalysen bilden eine Grundlage für Beratung und Begleitung im Übergang Schule – Beruf. In Düsseldorf sollte 2016 das bestehende Instrument Düsseldorfer Potenzialanalyse migrationssensibel weiterentwickelt werden. Diese Aufgabe übernahm ein multiprofessionelles Team vor Ort. Eine Projektgruppe, in der unter anderem die Kommunale Koordinierung und das Kommunale Integrationszentrum vertreten waren, erarbeitete gemeinsam mit externen Akteur*innen wie Schulleitungen ein migrationssensibles Konzept. In gemeinsamen Workshops wurden konzeptionelle Fragen intensiv diskutiert. Ein Teil des Konzepts ist das Menschenbild, das Zielgruppen explizit ebenso wenig beschreibt wie Defizite.
"Im Kontext der Düsseldorfer Potenzialanalyse werden Menschen als Individuen mit sehr unterschiedlichen Lebenswelten, Ressourcen, Interessen und Stärken gesehen. Zu ihren Erfahrungen können auch Migration und/oder Flucht gehören. Alle Teilnehmenden sind aktive Gestalter*innen ihrer Situation und Biografie, die (grundsätzlich und bei passenden Bildungsangeboten) in der Lage sind, auf der Grundlage ihrer Erfahrungshorizonte, ihres (kulturellen) Kapitals und gegebenenfalls des Erlebens unterschiedlicher (kultureller) Kontexte auch unter schwierigen Bedingungen Entwicklungsaufgaben wie die der Berufsorientierung zu bewältigen und produktiv die eigene Identität zu entwickeln. Die Sicht als selbstbestimmte Subjekte und die Anerkennung ihrer Autonomie, ihrer Ressourcen sowie ihrer Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit versperrt nicht den Blick auf mögliche strukturelle Benachteiligungen und Hindernisse in der Wechselwirkung von Kultur, Gender, Nation, Gesundheit oder Klasse (Intersektionalität). Sie berücksichtigt das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit, nach Transparenz und Berechenbarkeit ebenso wie den Wunsch, als Person akzeptiert und wertgeschätzt zu werden."(29)

Copyright Informationen anzeigenEine lachende Gruppe junger Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben.
Wertschätzung von Vielfalt als Bestandteil des Beratungskonzepts.

Das Beispiel spiegelt professionelle und ethische Haltungen, die auch in der Beratung der Jugendberufsagenturen relevant sind: die Achtung vor der Autonomie der zu Beratenden, die Wertschätzung und Anerkennung von Vielfalt, die Akzeptanz individueller Sinnkonstruktionen bei den Jugendlichen sowie die Reflexion der Werte und Motive der Beratungsfachkräfte selbst.(30)
Diese Haltung erfordert neben oder mit dem Verstehen auch beraterische Rücksicht, die Wahrnehmung von Verletzlichkeit, von Bedürftigkeit und die Fähigkeit der Zurückhaltung und der Empathie als Voraussetzung für die Ratsuchenden, sich zu öffnen und anzuvertrauen. Jakob Muth hat diese Zurückhaltung 1967 "Takt" genannt.(31)

Auch in Jugendberufsagenturen relevant: die Achtung vor der Autonomie der zu Beratenden, die Wertschätzung und Anerkennung von Vielfalt sowie die Reflexion der Werte und Motive der Beratungsfachkräfte selbst.

Aus dieser Haltung ergeben sich konkrete Handlungsempfehlungen, die in Jugendberufsagenturen angewendet werden können. Karl-Heinz P. Kohn, Politologe und Dozent an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA), hat sie in einem Beitrag so formuliert:

  • "Vermeiden Sie technokratische fürsorgliche Belagerung. Machen Sie keine Angebote, ehe Sie nicht wirklich die eigenen Ziele der Jugendlichen erkannt haben.
  • Schaffen Sie Bilder der Freiheit. Unterstützen Sie aber natürlich auch ganz real die freie Berufswahl der jungen Menschen.
  • Gestalten Sie einen Markt der Möglichkeiten. Verengen Sie Ihre Angebote nicht auf das vermeintlich gerade aktuelle und regional schnell verfügbare Angebot der Stellen und der Trägermaßnahmen.
  • Garantieren Sie echte Beratungsmentalität und beraterische Expertise bei allen Fachkräften in der Beratung.
  • Halten Sie bei der geschäftspolitischen Steuerung der Prozesse die Beratung frei von Vermittlungs- oder Maßnahmeeintrittszielen. Beratung hat das Ziel der Erhöhung der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit ihrer Ratsuchenden. Nur wenn Beratung sich hierauf konzentrieren kann, wird – wenn gewünscht – anschließend die Vermittlung entschiedene Bewerber bekommen."(32)

Welche Ziele und Aufgaben ergeben sich daraus?

Wie im Abschnitt "Ausgangslage" beschrieben, gibt es unterschiedliche Orientierungen, mit denen auch unterschiedliche Ziele verbunden sind. So zielt eine anforderungsorientierte Beratung eher auf die "Entwicklung von Kompetenzen, die den Anforderungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts entsprechen", eine subjektorientierte eher auf "Entwicklung der Persönlichkeit, Entfaltung der eigenen Fähigkeiten". Diese Ziele müssen nicht unbedingt im Widerspruch zueinander stehen, sie können miteinander in Beziehung gebracht werden. Dann kann es die Aufgabe der Beratung und Begleitung durch Jugendberufsagenturen sein, junge Menschen darin zu unterstützen,

  • sich zum einen mit eigenen Situationen, Interessen, Bedürfnissen, Fähigkeiten und Potenzialen auseinanderzusetzen, zum Beispiel auf der Grundlage der Ergebnisse der Potenzialanalyse,
  • sich andererseits mit Anforderungen der Berufe und der Arbeitswelt auseinanderzusetzen, durch Informationen, Praktika und Ähnliches,
  • selbstbestimmte Wege zur eigenen Entwicklung zu planen, durch Reflexionen innerhalb und außerhalb der Beratung.

Das Grundlagenpapier "Professionelle Bildungs- und Berufsberatung – Positionen des dvb" beschreibt das Ziel der Beratung so: "Das Ziel einer professionellen und im Sinne des Verfassungs- und Gesetzgebers geleisteten Bildungs- und Berufsberatung kann und darf ausschließlich die erhöhte und in Freiheit angewandte Entscheidungs- und Handlungskompetenz der Ratsuchenden sein.
Nur durch eine solche, in anwaltschaftlicher Perspektive geleistete Unterstützung können Rat suchende Menschen freie Entscheidungen treffen, mit denen sie sich nachhaltig identifizieren können. Und nur solche Entscheidungen können letztlich auch dazu beitragen, den Ausgleich am Arbeitsmarkt nachhaltig zu fördern"(33).

Jugendberufsagenturen arbeiten sowohl auf der individuellen Ebene wie auf der strukturellen. Die individuelle Beratung und Begleitung zielt – wie bereits dargestellt – darauf, Jugendliche zur biografischen Gestaltungskompetenz zu befähigen. Auf der strukturellen Ebene tragen Jugendberufsagenturen in multiprofessioneller Zusammenarbeit mit anderen Akteur*innen wie Schule und Wirtschaft dazu bei, dass regional abgestimmte Berufsorientierungskonzepte entstehen, dass das Ausbildungsangebot vor Ort für alle Jugendlichen passend und ausreichend entwickelt wird und Lücken zum Beispiel durch außerbetriebliche Ausbildungsangebote geschlossen werden. Gemeinsam mit kommunalen Verantwortlichen sorgen die Kooperationspartner*innen auch für notwendige Unterstützungsangebote, zum Beispiel für die Einrichtung von Azubi-Wohnheimen.

Jugendberufsagenturen arbeiten sowohl auf der individuellen als auch auf der strukturellen Ebene.

Mit welchen Methoden lassen sich diese Ziele umsetzen?

Vielfach wird in der Praxis nach Methoden gefragt, da diese anspruchsvolle Beratungssituationen erleichtern könnten. Gleichzeitig können Methoden in der grundsätzlichen Offenheit von Beratung eine Orientierung bieten. Hier ist zu beachten, dass der Sinn von Methoden sich aus dem jeweiligen Konzept ergeben muss, Methoden immer zum konzeptionellen Begründungszusammenhang und darin zu den theoretischen Grundlagen passen müssen. So hilft eine standardisierte Vorlage wie eine Checkliste möglicherweise, sich abzusichern und nichts zu vergessen; vielleicht ist sie auch vorgegeben. Sie birgt aber immer die Gefahr, die Methode einfach abzuarbeiten und nicht mehr empathisch und offen zu sein für die Jugendlichen, die möglicherweise ganz andere Fragen beschäftigen. Als Methode soll hier die im Kontext eines Konzepts begründete Planung des Vorgehens bezeichnet werden. Die Methode als das "wie" steht im Zusammenhang mit dem "woher", "wohin", "warum" und "mit wem". Sie ist zeit- und gesellschaftsabhängig.

Den Kern von Beratung und Betreuung bildet in der Regel der persönliche Dialog. Im weiten Feld der Beratung finden sich viele unterschiedliche Beratungsformen, häufig Therapieschulen, die wiederum mit unterschiedlichen Methoden und Verfahren arbeiten. (Deren Darstellung würde hier zu weit führen.) Vielfach beruft sich Beratung auf die klienten- beziehungsweise personenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers, die hier beispielhaft aufgeführt werden soll. Kathrina Gröning bewertet Rogers' Ansatz als zentrale Grundlage für jede Form des Beratens.(34) Rogers' Ansatz akzeptiert Menschen in ihrer jeweiligen Andersartigkeit, wertschätzt sie und glaubt, dass sie bereits einen Lösungsweg in sich tragen. Dementsprechend sucht Rogers die Lösung von Problemen im Menschen selbst und nicht von außen. Ratschläge und Beurteilungen wertet er deshalb eher kontraproduktiv. Stattdessen sollen sich Beratende zurücknehmen und versuchen, die Probleme mit den Augen des zu Beratenden zu sehen.(35)

Den Kern von Beratung und Betreuung bildet in der Regel der persönliche Dialog.

Rogers entwickelte die non-direktive Beratung, die von einigen eher als Methode, von anderen eher als Grundhaltung beschrieben wird. Sie bedeutet, dass die Rolle der Beratenden sich im Wesentlichen auf das aktive Zuhören beschränkt und Diagnosen, Deutungen und Interpretationen in den Hintergrund treten. Beratung hat stattdessen vor allem die Funktion eines Spiegels der Emotionen der zu Beratenden. Eine wichtigere Rolle als Gesprächstechniken spielt die Beziehung zwischen Beratungsfachkraft und zu Beratendem. "Jedes Gängeln, Dominieren, Drohen, Expertokratisieren und Lenken lehnte Rogers ab."(36) Zu den konkreten Techniken, die im Kontext einer Ausbildung zur personenzentrierten Beratung erworben werden, gehören:

  • Aktives Zuhören: Aktives Zuhören gelingt, indem die Beratenden sich in die Ratsuchenden hinein versetzen, versuchen ihre Absicht zu verstehen und nachfragen.
  • Paraphrasieren: Paraphrasieren bedeutet, dass die Beratenden die Aussagen mit eigenen Worten wiederholen.
  • Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte: Durch das Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte spiegeln die Beratenden die Gefühle der Ratsuchenden und signalisieren Interesse.
Copyright Informationen anzeigenEin junger Mann und eine Frau, die ihn berät. Sie schaut in die Kamera.
Wer Rat sucht, "steht" im Mittelpunkt.

Eine Form des Dialogs, die die Ratsuchenden und ihre Äußerungen in den Mittelpunkt stellt, beschreibt auch das schon erwähnte Grundlagenpapier "Professionelle Bildungs- und Berufsberatung, Positionen des dvb": "Eine störungsfreie, vertrauensvolle und möglichst direkte Kommunikation unter Einschluss aller verbalen, aber auch der non- und paraverbalen Signale ermöglicht am besten, die geforderte Sensibilität, Aufmerksamkeit und Differenzierung im Gespräch zu erreichen."(36)
Das Grundlagenpapier schlägt als weitere Arbeitsformen die Arbeit mit Gruppen und mediale Formen der Beratung vor.(37) Neben diesen "direkt interventionsbezogenen" Einzel-, Gruppen- und gegebenenfalls sozialraumorientierten Methoden, die direkt mit Adressat*innen arbeiten, gibt es (nach Michael Galuske) auch indirekt interventionsbezogene Methoden wie Supervision und kollegiale Beratung, die die Ebene der Teams betreffen.(38) In der Sozialen Arbeit gelten Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit als die traditionellen Methoden; in diese sind auch Beratung und Betreuung eingebettet.

Kollegiale Fallberatung

Eine Methode, die eine kooperative Beratung im Team ermöglicht, ist die kollegiale Fallberatung. Darunter versteht man eine Fallbesprechung in einer Gruppe, zum Beispiel einem Team – selbstgesteuert und ohne Leitung. Ein Team berät über die Situation eines jungen Menschen und die sich daraus ergebenden Bedarfe nach einem festen Ablauf und mit feststehenden Rollen. Gemeinsam beleuchtet und reflektiert das Team die Praxisfälle und bringt dabei unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Ideen ein. So entstehen neue Lösungsansätze.(39)
Das Ziel ist es, Antworten und Lösungen für konkrete Fragen zu finden. Diese Konzeption setzt ein professionelles Selbstverständnis voraus, zu dem die Bereitschaft zur (Selbst-)Reflexion, das heißt zur Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung und mit Aspekten der eigenen Rolle ebenso gehört wie Transparenz, offene Kommunikation und Vertrauen.(40)

Welche Kompetenzen brauchen die Fachkräfte?

Das Verbundprojekt "Beratungsqualität in Bildung, Beruf und Beschäftigung" hat in zwei Phasen einen Katalog von Kompetenzen gesammelt, durch nationale und internationale Analysen fachlich ergänzt und ein Kompetenzprofil für Beratungsfachkräfte entwickelt. Das Profil umfasst – dem systemischen Ansatz des Modells entsprechend – systemumfassende, prozessbezogene, organisationsbezogene und gesellschaftsbezogene Kompetenzen. Diesen Kompetenzen werden Indikatoren zugeordnet. "Die im Kompetenzprofil dargestellten Indikatoren stellen professionelle Handlungsdispositionen dar, die auf kognitiven (z. B. beratungsspezifischem theoretischen und methodischen [Fach-]Wissen, ethischen Aspekten) und affektiv-motivationalen Ressourcen (z. B. Motivationen, Emotionen, professionellen beruflichen, inneren Überzeugungen, Werthaltungen) beruhen.“(41)

Andere Kompetenzprofile stellen noch stärker die Haltung der Beratenden in den Vordergrund. Das BIBB-Forschungsprojekt "Anforderungen an die Professionalität des Bildungspersonals im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt"(42) hat Fachkräfte aus vier verschiedenen Berufsgruppen befragt: sozialpädagogische Fachkräfte, Lehrkräfte der allgemeinbildenden Schule, Lehrkräfte der beruflichen Schule und Ausbilder*innen.(43) Aus den Befragungsergebnissen wurden Kompetenzprofile für den Übergang Schule – Arbeitswelt entwickelt. Auch hier betonen viele Fachkräfte vor allem die eigene Haltung: "Nur durch eine optimistische und empathische Haltung der Pädagoginnen und Pädagogen könnten bestehende 'Teufelskreise' aufgebrochen werden."(44) Eine zentrale Kompetenz bildet somit der kompetenz- oder potenzialorientierte Ansatz, die Fähigkeit, auch bei Misserfolgen negativen Zuschreibungen den Jugendlichen, dem Handlungsfeld oder sich selbst gegenüber zu widerstehen und sich statt dessen an Erfolgen zu orientieren. Die Studie basiert auf Theoriekonzepten zur pädagogischen Professionalität, ihre Analyse orientiert sich (nach Rolf Arnold und Claudia Gómez Tutor) an den drei Dimensionen Wissen, Können und Reflektieren und ordnet diesen Kompetenzbündel zu.

  • Wissen
    Wissen umfasst Kenntnisse zum Bildungs- und Ausbildungssystem, berufsspezifisches Wissen, Wissen über betriebliche Strukturen und das regionale Übergangssystem, jugendspezifisches Wissen (Lebenswelten) und entwicklungspsychologisches Wissen.
  • Können
    Können umfasst methodisch-didaktische Kompetenzen, zum Beispiel für Kommunikationssituationen wie Gesprächstechniken oder Moderationsverfahren und für die Gestaltung von Lernprozessen, Diagnosekompetenz sowie kommunikative Kompetenzen, Kooperationskompetenz, interkulturelle Kompetenz – insbesondere zur Gestaltung von Beratungssituationen.
  • Reflektieren
    Reflektieren umfasst personale, soziale und emotionale Kompetenzen, die eigene Haltung und Einstellung wie innovative Kompetenzen. Diese Dimension wurde von den Fachkräften als besonders bedeutsam bewertet, nicht zuletzt, da die Fachkräfte im Übergang Schule – Beruf immer wieder mit Spannungsfeldern, Widersprüchen und Ambivalenzen konfrontiert sind.
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Reflektieren als Dimension pädagogischer Professionalität und Kompetenzbündel

Auch die Schweizer Forscherinnen Annemarie Schaffner und Dorothee Ryter haben sich, zum Teil in Anlehnung an Ursula Bylinski, mit der Frage beschäftigt, wie Professionalität in einem interprofessionellen Handlungsfeld aussieht. Hier steht nicht im Vordergrund, dass sich die verschiedenen Professionen und Personen angleichen; darin sehen die Autorinnen eher eine Gefahr der Verwässerung. "Es kann nicht Ziel sein, dass alle Fachpersonen ein wenig Coaching, ein wenig Berufsberatung, ein wenig sozialarbeiterische Unterstützung, etwas Lerncoaching und Sonderpädagogik usw. leisten."(45)

Eine zentrale Kompetenz bildet die Fähigkeit, auch bei Misserfolgen negativen Zuschreibungen den Jugendlichen, dem Handlungsfeld oder sich selbst gegenüber zu widerstehen und sich statt dessen an Erfolgen zu orientieren.

Von großer Bedeutung zur Entwicklung dieser Kompetenzen sind Prozesse des gemeinsamen Lernens der unterschiedlichen Berufsgruppen (von- und miteinander). Schaffner und Ryter empfehlen deshalb "interprofessionelle Weiterbildungen als Reflexionsräume".(46) Auch Bylinski schlussfolgert, dass Fort- und Weiterbildung "integraler Bestandteil von regionalen Handlungskonzepten der Übergangsgestaltung"(47) sein müssen.

Fazit: Was heißt das für die Beratung in Jugendberufsagenturen?

Wie sieht also das gemeinsame Beratungsverständnis einer Jugendberufsagentur aus? Kann ein Beitrag wie dieser eine Antwort auf diese Ausgangsfrage sein? Nein – denn genauso wenig, wie Ratsuchende belehrt und gelenkt werden möchten, versprechen Vorgaben und die reine Informationsweitergabe an Beratungsfachkräfte Erfolg, wenn diese ihr Beratungskonzept nicht "zu ihrer Sache" machen. Auch hier müssen Beratungskonzept und die Beratung selbst zu den Personen, ihren persönlichen und beruflichen Biografien, ihren Überzeugungen und Werten passen, ihren Stärken und Kompetenzen Raum bieten, Autonomie und professionelle Mündigkeit ermöglichen. Expertokratie ist auch hier fehl am Platz.

Stattdessen geht es bei der interprofessionellen Zusammenarbeit darum, dass die einzelnen Berufsgruppen in der Jugendberufsagentur sich ihrer eigenen Professionalität bewusst sind, sie einbringen, sich abgrenzen sowie Aufgaben und Schwerpunkte aufteilen können. So gewinnen die unterschiedlichen Berufsgruppen sowohl ein Verständnis für die eigenen Ansätze wie auch – im kleinen Maß – für die der anderen. Auf dieser Grundlage können sie sich auf das Gemeinsame verständigen.

Das Konzept und die praktizierte Beratung selbst müssen zu den Fachkräften der jeweiligen Jugendberufsagentur passen. Das ist dann der Fall, wenn die Beteiligten ihre Beratungskonzeption im Austausch miteinander selbst entwickeln.

Die eher theoretischen Anregungen dieses Beitrags müssen vor Ort mit Praxis gefüllt werden. Dazu bietet es sich an, in einem Team aus verschiedenen Fachkräften, die aus verschiedenen Rechtskreisen (Handlungslogiken und Traditionen) stammen, das eigene Selbstverständnis im Austausch miteinander zu reflektieren und eine Beratungskonzeption zu erstellen. Jedes Teammitglied und das Team gemeinsam setzen sich mit den eigenen Annahmen, Überzeugungen und Konzeptionen auseinander, sie bringen ihre Kompetenzen und Erfahrungen in einen gemeinsamen Prozess ein. Als Rahmen dazu können Weiterbildungen und fachlich begleitete Workshops zur Erstellung eines Beratungskonzepts dienen.

Workshop zur Beratungskonzeption für die jeweilige Jugendberatungsagentur

Ein Workshop dient sowohl der partizipativen Weiterbildung als auch der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen wie der gemeinsamen Professionalität. Sein Ergebnis ist eine Beratungskonzeption für die jeweilige Jugendberatungsagentur.
Den Ausführungen dieses Beitrags folgend könnten dazu diese Fragen diskutiert und erarbeitet werden:

  • Ausgangslage: Aus welcher Perspektive betrachten wir die Probleme, die zur Beratung in unserer Jugendberufsagentur führen?
  • Theoretische Grundlagen: Woran orientiert sich die Beratung unserer Jugendberufsagentur?
  • Welche Prinzipien ergeben sich daraus für die Beratung in unserer Jugendberufsagentur?
  • Welches Menschenbild und welche Haltung liegen unserer Beratung zugrunde?
  • Welche Ziele und Aufgaben ergeben sich daraus?
  • Mit welchen Methoden wollen wir die Ziele und Aufgaben umsetzen?
  • Welche Kompetenzen brauchen wir dazu?

Die notwendigen Verständigungsprozesse können sich als große Herausforderung erweisen, denn für die Auseinandersetzung mit eigenen Haltungen und Einstellungen sind Offenheit, Vertrauen und gegenseitiges Verständnis wichtige Voraussetzungen. Gleichzeitig bietet diese Auseinandersetzung eine große Chance für ein gelingendes Arbeitsbündnis und eine tatsächliche Verantwortungsgemeinschaft.(48)

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Fußnoten

Fußnoten

Fußnoten mit Literaturangaben

  • 1Enggruber, Neises 2023, S. 12
    Enggruber, Ruth und Frank Neises (2023): Jugendberufsagenturen als Gestalter inklusiver Übergänge zwischen Schule und Beruf. In: berufsbildung 199. Arbeitsmarktgeförderte berufliche Integration. Ausgabe 3/2023WBV:  Website der Publikation
  • 2vgl. Gröning 2011
    Gröning, Katharina (2011): Pädagogische Beratung Konzepte und Positionen. 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Wiesbaden
  • 4vgl. Heiner 2004
    Heiner, Maja (2004): Professionalität in der Sozialen Arbeit – Theoretische Konzepte, Modelle und empirische Perspektiven. Stuttgart
  • 5Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland 2006, S. 7
    Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland (2006): Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife. Ein Konzept für die Praxis. Nürnberg, Berlin.
  • 7vgl. Deeken, Butz 2009
    Deeken, Sven und Bert Butz (2009): Berufsorientierung. Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. Expertise im Auftrag des Good Practice Center (GPC) im Bundesintstitut für Berufsbildung. Bonn
  • 8Deutscher Bundestag – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 47
    Deutscher Bundestag – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2017): 15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, Drucksache 18/11050. BerlinBMFSFJ: Website zum 15. Kinder- und Jugendbericht
  • 9vgl. ebd.
  • 10ausführliche Darstellung in Mohr 2021, S. 37 -  61
    Mohr, Manfred (2022): Geschlechtergerechte MINT-Berufsorientierung. Eine empirische Studie zur Wirksamkeit von didaktischem Lehr-Lern-Material. Wiesbaden
  • 11siehe
    Holland, John L. (1997): Making Vocational Choices. A Theory of Vocational Personalities and Work Environments. Psychological Assessment Resources Inc.
    Super, Donald E. (1994): Der Lebenszeit-, Lebensraumansatz der Laufbahnentwicklung. In: Brown, D. & Brooks, L. (Hrsg.): Karriere-Entwicklung. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 211–280
  • 12vgl. Porath 2022. Ihr Vortrag "It’s all about Transformationskompetenz" ist zur Vertiefung sehr zu empfehlen.
    Porath, Jane (2022): It’s all about Transformationskompetenz. Von der Kita bis zum Un-Ruhestand – Berufliche Orientierung im Lebensverlauf. Fachtagung an der CvO Uni Oldenburg, 15. – 16.09.2022. (Zuletzt aufgerufen am 28.06.2024)YouTube: Vortrag Jane Porath
  • 13vgl. Mohr 2021, S. 56
  • 14vgl. ebd., S. 60
  • 16vgl. Mohr 2021, S. 75
  • 17vgl. ebd. S. 72ff.
  • 19vgl. Oeynhausen, Mutlu 2020
    Oeynhausen, Stephanie und Sevilj Mutlu (2022): Berufsorientierungsangebote "anerkennungssensibel" gestalten: Vorstellung eines innovativen Workshopkonzepts. Bonn.BIBB: Website zur Publikation
  • 21vgl. ebd., S. 12
  • 22Thiersch 2015, S. 313
    Thiersch, Hans (2015): Soziale Arbeit und Lebensweltorientierung: Konzepte und Kontexte. Gesammelte Aufsätze Band 1. Weinheim, Basel
  • 25Herringer 2010, S. 20
    Herriger, Norbert (2010): Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 4. erweiterte und ergänzte Auflage. Stuttgart. Kohlhammer
  • 26vgl. ebd., S. 85
  • 27vgl. Neises, Weiß 2023
    Neises, Frank und Ulrich Weiß (2023): Förderung erwerbsbiografischer Selbstverantwortung am Übergang Schule – Beruf. In: BWP 2/2023 Berufliche Orientierung. S. 40-43. BonnBWP: Website zur BWP-Ausgabe 2/2023
  • 28nfb et al. 2014a, S. 7
    Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung e.V. (nfb), Forschungsgruppe Beratungsqualität am Institut für Bildungswissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg (2014a): Professionell beraten: Qualitätsentwicklungsrahmen (QER) für die Beratung in Bildung, Beruf und BeschäftigungForum Beratung: Professionell beraten (PDF)
  • 30vgl. von Spiegel 2004, S. 114
    Spiegel, Hiltrud v. (2004): Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. München, Basel
  • 31Jakob Muth, nach Gröning 2012, S. 96
  • 32vgl. Kohn 2020 ( Zuletzt aufgerufen am 06.06.2024)
    Kohn, Karl-Heinz P. (2020): Frei beraten, frei entscheiden – Wer Jugendliche an ihrem Übertritt ins Erwerbsleben unterstützen will, darf sie nicht fürsorglich belagernueberaus.de: Frei beraten, frei entscheiden
  • 33Deutscher Verband für Bildungs- und Berufsberatung e.V. 2017, S. 5
    Deutscher Verband für Bildungs- und Berufsberatung e.V. (dvb Fachverband) (2017): Professionelle Bildungs- und Berufsberatung, Positionen des dvbdvb-fachverband: Grundlagenpapier (PDF)
  • 34vgl. Gröning 2012, S. 171
  • 35siehe
    Personenzentrierte Gesprächsführung: Rogers, Carl (1974): Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Frankfurt am Main. Fischer Verlag
  • 36ebd., S. 172
  • 37dvb Fachverband 2017, S. 7
  • 38vgl. ebd.
  • 38vgl. Galuske 2007
    Galuske, Michael (2007): Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 7. Auflage. Weinheim, München
  • 39Methodik und Ablaufplan werden in einem gesonderten Text vorgestellt.
  • 40vgl. Seyfried, Marschke 2022, S. 21
    Seyfried, Clemens und Britta Marschke (2022): Kollegiale Fallberatung für Pädagogen und Pädagoginnen. Neue Wege der Onlineberatung. Bielefeld
  • 41vgl. nfb et al. 2014b, S. 9
    Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung e.V. (nfb), Forschungsgruppe Beratungsqualität am Institut für Bildungswissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg (2014b): Professionell beraten: Kompetenzprofil für Beratende in Bildung, Beruf und Beschäftigung. Berlin, HeidelbergWBV-Shop: Kompetenzprofil für Beratende (open access)
  • 42vgl. Bylinski 2014
    Bylinski, Ursula (2014): Gestaltung individueller Wege in den Beruf. Eine Herausforderung an die pädagogische Professionalität. Bonn, Bielefeld
  • 43Auch wenn die Berufsgruppen nicht alle direkt in den Jugendberufsagenturen arbeiten, sind sie als Kooperationspartner relevant und ihre Positionen durchaus übertragbar.
  • 44Bylinski 2014, S. 100
  • 44siehe
    Arnold, Rolf und Claudia Gómez Tutor (2007): Grundlinien einer Ermöglichungsdidaktik. Bildung ermöglichen – Vielfalt gestalten. Augsburg
  • 45Schaffner, Ryter 2015, S. 263
    Schaffner, Dorothee  und Annamarie Ryter (2015): Professionelles Handeln in der Berufsintegration. In: dies. Wer hilft mir, was zu werden. Bern. S. 262 - 270
  • 46vgl. ebd., S. 268
  • 46Bylinski 2014, S. 100
  • 47Bylinski 2014, S. 13